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Beugt die Knie! Und die Hüften!

Nun war es also endlich soweit: Der ursprüngliche Grund für uns nach Japan zu fahren war da. OK, wer die Bilder bislang sieht, könnte meinen, dass wir nur zum Essen und Trinken da wären. Und, sind wir mal ehrlich, die folgenden Bilder machen das nicht besser.

Der eigentliche Grund für uns nach Japan zu fliegen war allerdings dezent auf der Absperrung der U-Bahn aufgedruckt, in die wir gleich einsteigen.

In Japan fand nämlich die Rugby Weltmeisterschaft statt, zum ersten Mal in Asien. Nach einer Fussball-WM und den olympischen Spielen ist die Rugby-WM die drittpopulärste Sportveranstaltung auf der Welt, was die Zuschauer in den Stadien und vor dem TV angeht.

Dementsprechend muss man sich ja auch vorbereiten: Also trug Meike ein Trikot der Handball WM und Jens das Trikot der deutschen Nationalmannschaft.

Wir hatten an diesem Tag kein JR Ticket, der JR Tokyo Wide Pass war gestern abgelaufen und den JR Pass würden wir erst morgen aktivieren. Dies war aber Absicht, denn zum Ajinomoto-Stadion (ehemals Tokyo Stadion) fährt nur eine private Bahn direkt und daher hätte sich das heute eh nicht gelohnt.

Mit der Subway ging es sehr einfach nach Shinjuku, diesem kleinen dezenten Bahnhof im Westen Tokyos mit seinen 53 Gleisen, 200 Ausgängen und den bis zu 3,6 Millionen Fahrgästen pro Tag! Ja, pro Tag!

Wir würden mit den Zügen der KeioLine fahren, die von hier aus den westlichen Bereich Tokyos bedient. Eigentlich fahren von hier aus nur die Local Züge zu unserem Zielbahnhof, heute allerdings hielt jeder Zug in Tobitakyu, dem Bahnhof neben dem Stadion. Also konnten wir in jeden Zug reinspringen, der da steht.

Was wir auch dann in den nächsten Zug gemacht haben, wo wir sicher einen Sitzplatz bekommen. Muss ja nicht sein im Urlaub, dass man 50 Minuten steht …

Am Zielbahnhof angekommen zeigte sich das Organisationstalent der Japaner.

Alles war gut ausgeschildert und zig Freiwillige standen bereit und halfen einem, den richtigen Weg zu finden. Sei es zum Klo, zum Ausgang, zum Stadion oder auch …

Der etwa 1 Kilometer Fußmarsch war, es handelte sich halt auch um Rugby Fans, angenehm und witzig. Insbesonderes die ganzen Japaner im Trikot der „All Blacks“ waren witzig, denn wir vermuten, dass dies wohl eher in dem Bekanntheitsgrad denn einem wirklichen Fan-Bezug begründet war. Was die ganzen echten Kiwis nicht davon abhielt, Fotos mit den Japanern zu machen. Und umgekehrt. Und wer mittendrin ein anderes Trikot hatte, zum Beispiel dies des heutigen Gegners Namibia, der kam eh nur schwer voran, da jeder Fotos machen wollte.

Ach so: Wir schauen heute Neuseeland gegen Namibia! 🙂

Da wir recht früh am Stadion waren, ging es für uns zu der neben dem Station aufgebauten Fan Area, wo eine Liveband spielte und die Sponsoren der WM sich präsentierten. Und es gab Fressbuden …

Mit dem (recht teuren) Essen und (noch teurerem) Bier setzten wir uns auf die kleine Tribüne und schauten einfach den Leuten zu,

Zu diesem Zeitpunkt wurden wir bereits von einer deutschen Familie erkannt, die alle im Trikot der Rugbyunion Hohen-Neuendorf da waren. Haben uns dann kurz nett mit ihnen unterhalten und uns alle gemeinsam gefreut, da zu sein! An dieser Stelle: Grüße an die Oberhavel!

Was auch witzig war, waren die ganzen „High Five“ fordernden Helfer und Helferinnen – die positive Stimmung war ansteckend, was man an den vielen grinsenden Gesichtern sehen konnte, die auf die Gesichter der Besucher gezaubert wurden.

Wir wollten dann aber nicht weiter warten und außerdem begann es etwas zu regnen. Also ab auf unsere Plätze (und auf dem Weg noch einen Berliner, der mit einer Japanerin verheiratet ist, getroffen).

Unsere Plätze waren auf dem Oberrang und gar nicht mal so schlecht. Und man konnte gleich Flagge bzw. Schal zeigen.

Unten auf dem Feld machten sich beide Mannschaften bereit, während die Trainer beider Mannschaften (siehe oben rechts im Bild) ein Schwätzchen halten.

Da Rugby nun einmal ein „non segregating sport“ ist, standen und saßen hier alle Seiten völlig problemlos nebeneinander. Da standen sogar Schotten neben Engländern …

Und mittendrin immer auch, britische Tradition, teil- oder komplettverkleidete Fans!

Auch mittendrin: Die Hundertschaft der Heineken-Ausschenk-Damen. Davon gab es sehr, sehr viele – das machte das Bier aber auch nicht besser.

Auch da: Kiwis! Teilweise in Original-Form, zumindest soweit wir uns erinnern. Waren ja schon lange nicht mehr in Neuseeland … hm … 2020 …?

Aber erst einmal sind wir hier. Und hier begann das Spiel dann, wie bei den All Blacks üblich, mit den Haka!

Haka ist ja eigentlich nicht ausreichend, denn „Haka“ ist die Bezeichnung der Maori für „Lied mit Tanz“. Der „Ka-Mate“-Haka, den die All Blacks in der Regel aufführen, entstand 1810 und beginnt mit fünf Anweisungen eines Anführers (gewöhnlich ein Maori):

Ringa pakia!
Uma tiraha!
Turi whatia!
Hope whai ake!
Waewae takahia kia kino!

Übersetzt bedeutet dies sowas wie:

Schlagt die Hände auf die Schenkel!
Drückt die Brust nach vorne!
Beugt die Knie!
Und die Hüften!
Stampft mit den Füßen, so fest ihr könnt!

Und danach stimmt die ganze Mannschaft ein.

Anführer: Ka mate, ka mate
Mannschaft: Ka ora, ka ora
Anführer: Ka mate, ka mate
Mannschaft: Ka ora, ka ora
Alle: Tēnei te tangata pūhuruhuru
Nāna nei i tiki mai whakawhiti te rā
Ā upane, ka upane
Ā upane, ka upane
Whiti te rā, hī!

Das ist Tod, das ist Tod!
Das ist Leben, das ist Leben!
Dies ist der haarige Mann, er die Sonne brachte und sie scheinen ließ!
Ein Schritt nach vorne, und noch einer!
Ein Schritt nach vorne, und noch einer!
Die Sonne scheint!

Das Spiel begann dann recht überraschend, denn Neuseeland leistete sich ein Foul in der Nähe der Stangen und Namibia verwandelte den fälligen Penalty zu einer, für viele überraschenden 3:0 Führung!

Selbst der Trainer von Namibia, der Waliser Phil Davis, der danach lange auf der Videoleinwand gezeigt wurde, kam aus dem Lachen nicht mehr raus.

Nicht als Foto haben wir, wie er dem Trainer der All Blacks, Steve Hansen, Zeichen und Gesten machte wie „Haha, wir führen!“. Im Ernst: Das können nicht viele Mannschaften von sich behaupten, gegen die Kiwis zu führen.

In der Folge kam es allerdings wie erwartet: Die physische Überlegenheit der Neuseeländer zeigte sich sehr oft.

Allerdings gab es auch den einen oder anderen technischen Fehler, sodass Namibia dran blieb. Oder Neuseeland nicht weg kam.

Auch nicht hilfreich war eine gelbe Karte für einen Kiwi wegen eines High Tackle. Ein Tackle ist nämlich nur bis zur Höhe der Schultern erlaubt. Und eine gelbe Karte bedeutet: 10 Minuten in die „Sin Bin“.

Was hier ein Campingstuhl neben den Zeitnehmern war, gut geeignet, um über seine Sünden nachzudenken.

Zur Halbzeit wollten wir eigentlich uns noch ein Bier holen und vorher noch auf Toilette gehen. Toilette ging, der Rest aber wurde von dieser Truppe aus England verhindert, die eigentlich auch ein Bier holen wollten, aber zu Hunderten von Fotos gezwungen wurden.

Haben uns auch kurz mit zwei von ihnen unterhalten und sind dann mit den Worten „Naja, WIR können ja jetzt zu unseren Plätzen, IHR müsst ja noch Fotos machen“ weggegangen. Die sahen schon recht durstig aus …

Der Rest des Spiels lief wie gedacht: Neuseeland spielte jetzt konzentrierter, Namibia wurde auch physisch schwächer, was beim Rugby meiste mit mehr technischen Fehlern einhergeht. Und so war das Endergebnis von 71:9 für die All Blacks nicht verwunderlich.

Beim Rugby normal: Nach dem Spiel ist (fast) alles vergessen und man verabschiedet sich von dem Gegner fair und freundlich.

Und eine Tradition, die sich hier in Japan bei der WM entwickelt hat: Beide Mannschaften verbeugen sich gemeinsam vor den Zuschauern!

Wir finden es immer interessant, wie unterschiedlich die Stimmung bei einem Rugby-Spiel (und den 49.000 Zuschauern, von denen, sind wir mal ehrlich, die meisten betrunken waren) und einem Fussball-Spiel ist. Beim Rugby wird halt FÜR die eigene Mannschaft gebrüllt, beim Fussball GEGEN die anderen.

Danach noch einmal kurz auf die Fanzone gegangen und diese, Japan-spezifisch gekleidete, Gruppe aus England getroffen.

Und noch zwei Deutsche aus München, die heute morgen erst gelandet sind und ziemlich verwirrt über den Platz stolperten. Wir hoffen, wir haben sie nicht noch mehr verwirrt …

Der Rückweg zur Bahn war zwar etwas zähflüssig, dafür aber effizient, denn Stehzeiten gab es eigentlich nur wenige.

Und mit zwei hervorragenden Sitzplätzen in einem Local Train nach Shinjuku endete unser erstes Spiel der Rugby Weltmeisterschaft 2019 in Japan.

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