Zum Inhalt springen

1 Tunnel, 2 Sumo und ein Schloss

Ein neuer Tag, ein neues Ziel. Oder (im heutigen Fall) drei. Daher auch ein etwas längerer Bericht mit einigen Fotos.

Für Japan typisch begann der Tag mit einem Automaten.

Allerdings keinem Getränkeautomaten, sondern einem für Fahrkarten. Die Reise heute ging nämlich nach Fukushima und Matsumae. Und dafür mussten wir in einen Ort namens Kikonai und dies mit einer privaten Bahngesellschaft. Also bauchten wir neue Fahrkarten, denn unser Japan Rail Pass gilt hier nicht.

Um 7 Uhr pulsierte das Leben ähnlich wie am gestrigen Abend: Gar nicht!

Immerhin saßen im kurz danach bereitgestellten Zug dann auch noch ein paar andere Seelen und während wir entlang der Bucht von Hakodate ruckelten kamen auch ein paar Schüler und andere Fahrgäste hinzu.

Leider wurde auch das Wetter immer schlechter, sodass der Blick aus dem Fenster immer trüber wurde. Und zu dem Zeitpunkt, wo wir in Kikonai ankamen, regnete es in Strömen.

Das große Gebäude links im Bild ist übrigens der Shinkansen-Bahnhof. Den haben wir auf dem Hinweg nicht genommen (auch wenn dafür unser JR Pass gegolten hätte), da der Shinkansen von Shin-Hakodate und nicht von Hakodate abfährt. Ersteres ist 20 Minuten mit dem Zug von letzterem entfernt und das wollten wir uns morgens nicht auch noch antun.

Kikonai … ist klein. Und auch hier ist nix los und es hat nix auf. Was die Wartezeit von 55 Minuten zur Geduldsprobe werden liess.

Und das der bereitstehende Bus auch noch den Charme eines KVB-Linienbusses mit Spitzendeckchen hatte, machte die Fahrzeit von einer Stunde auch nicht besser.

In Fukushima stiegen wir dann auch aus. Dabei handelt es sich nicht um DAS Fukushima, sondern einen 4.300 Seelen Ort an der Südspitze von Hokkaido. Und bekannt für ein Museum über einen nahen Tunnel: Den Seikan Tunnel.

Da heute der Tag der obskuren Museen war: Rein mit uns. Und eine sehr interessante aber komplett auf japanisch beschriftetes Museum mit vielen Ausstellungsstücken erwartete uns.

Der Seikan-Tunnel ist mit einer Länge von 53 km einer der längsten Tunnel der Welt und mit etwas mehr als 23 km unter dem Meer ist der der zweitlängste Tunnel unter dem Meer. Erste Pläne für den Tunnel gibt es seit den 40er Jahren, aber der Durchstich erfolgte 1985 nach 19 Jahren Bauzeit. Gründe für den Tunnel gab es viele, denn vor Inbetriebnahme des Tunnels wurden 95% aller Passagiere zwischen Tokio und Sapporo mit dem Flugzeug transportiert. Die Bahnfahrt dauerte 17 Stunden, inklusige 4 Stunden auf der Fährt (die zu allem Überfluss auch im Schnitt an 80 Tagen im Jahr nicht fahren konnte, weil das Wetter zu schlecht war).

Der Tunnel selbst ist sowohl für die Regelsput (1435 mm) der Shinkansen als auch für die Kapspur (1067 mm) der Güterzüge gebaut worden. Und das, obwohl erst seit dem 26. März 2016 (!) der Hokkaido-Shinkansen durch den Tunnel fährt.

Woher wir das wissen? Weil die Dame am Eingang, als wir im Museum waren, eine englische Broschüre ausgedruckt und uns übergeben hat (das nennt man hier Service!) …

Nach dem Tunnel-Museum ging es mit einem kleinen Spaziergang zum nächsten Museum.

Gut, dass das Wetter sich gebessert hat.

Dem Motto des Tages entsprechend besuchten wir jetzt ein Museum zu Ehren von Chiyonoyama und Chiyonofuji: Den ersten beiden Yokozunas Hokkaidos. Es geht also (wer mit dem Begriff Yokozuna nix anfangen kann) um Sumo.

Yokozuna ist der höchste Rang beim Sumo. Diesen Titel haben seit 300 Jahren nur 72 Kämpfer erreicht und die beiden hier geborenen Yukozuna gingen in die Geschichte des Sports ein als der Prototyp eines neuen Sumo-Kämpers (Chiyonoyama) bzw. eines der erfolgreichsten Kämpfers aller Zeiten (Chiyonofuji).

Ein Yokozuna kann seinen Titel und Rang nicht mehr verlieren, stattdessen wird von ihm erwartet, dass er mit Sumo aufhört, wenn er schlechter wird.

Chiyonoyama wurde 1926 geboten und war Yokozuna von 1951 bis 1959. 1977 ist er gestorben.

Er war mit 1,90 m und 122 Kilo kein typischer Sumo-Kämpfer, sondern eher ein technisch versierter und muskulöser Mann. Im Museum (auch weitestgehend mit japanischen Beschreibungen an den Ausstellungsstücken) konnte man einige Videos seiner Kämpfe sehen – das war schon beeindruckend!

Der zweite Kämpfer, dem dieses Museum gewidmet ist, ist Chiyonofuji. Er ist 12955 geboten und 2016 gestorben. Von 1981 bis 1991 war er Yokozuna und mit 1045 Siegen der erfolgreichste Kämpfer seiner Zeit.

Mit 1,83 m und nur 127 Kilo war er auch kein Schwergewicht, das machte er aber ebenfalls mit Technik wett.

Sein Trainer war eben Chiyonoyama und insgesamt 31 Siege bei großen Tunieren (Bashos) sprechen für sich.

Im Museum waren einige Ausstellungsstücke wie Pokale oder den traditionell beim Abschied vom Sport abgeschnittenen Haar-Zopf zu sehen.

Allerdings, da wie gesagt alles auf japanisch beschrieben wurde, mussten wir teilweise raten, was das war.

Nicht raten mussten wir, was der Sport der Wahl war, nachdem mit dem Sumo aufgehört wurde …

Interessantes und etwas skurriles Museum (mehrere Preise in Form einer Coca Cola-Flasche waren nur der Anfang).

Danach wollten wir nach Matsumae weiterfahren, der entsprechende Bus fuhr aber erst in 40 Minuten. Also ab zur Bushaltestelle, Buch auspacken und warten. Während der Wartezeit wollte uns ein netter Herr dort hinfahren, allerdings waren wir nicht sicher, ob er noch fahren sollte (sehr alt) und ob wir das richtig verstanden haben. Daher doch lieber den Bus.

Matsumae Castle war die letzte Burg in Japan, die 1850 nach herkömmlichen Vorstellungen gebaut worden ist. Immerhin besaß sie auf der dem Meer zugewandten Seite sieben Stellungen für Kanonen, also schon ein bisschen Moderne. Generell ist der letzte Teil des Burgturms noch vorhanden, allerdings nachgebaut, weil er 1949 bei einem Brand zerstört wurde. Generell aber ein guter Ort, weil nicht zu voll und noch gut erhalten.

Im Burgturm selber waren ein paar Stücke der Familie ausgestellt und Zeichnungen aus der Zeit, wo die Matsumae (so der Name der Familie) als Verwalter von Hokkaido fungierte.

Rund um die Burg liegen noch einige Tempel und viele Kirschbäume, was die Gegend auch zu einer berühmten Hamani-Destination macht – während der Kirschblüte muss das hier super voll sein.

Wir spazierten noch etwas durch den 7000 Seelen Ort. Dabei stiessen wir immer wieder auf solche Zeichen.

Diese Zeichen sind Messungen, bis zu welcher Tsunami-Höhe man hier sicher ist. Schon ein mulmiges Gefühl, wenn man an sowas erinnert wird – aktuell wartet man ja eigentlich immer noch auf das „große Beben“.

Ansonsten ist die Stadt auch nicht voller Leben. Sogar die Wachhunde empfanden uns als willkommene Abwechslung …

Also haben wir unseren Spaziergang beendet und sind was essen gegangen. Meike hat die lokalen Ramen bestellt und ich Seafood. Was denn auch sonst.

Dann ging es mit dem Bus zurück nach Kikonai. Und da wir ein Bus früher genommen haben, hatten wir noch die Option einen Shinkasen zu erreichen, der 20 Minuten nach unserer Ankunft in Richtung Shin-Hakodate fahren würde.

Natürlich kamen wir pünktlich an und natürlich konnten wir noch Sitze im Shinkansen reservieren (Reservierungen sind Pflicht im Hokkaido-Shinkansen) und schon standen wir auf dem viel, viel zu groß dimensionierten Bahnhof von Kikonai.

Und dann kam der Zug, ein E5 Shinkansen.

Schon beeindruckend das Ding.

Es gibt 10 Zugpaare zwischen Tokyo und Shin-Hakodate pro Tag, dazu noch 3 Züge, die kürzere Strecken fahren.

Wir stiegen dann in die „1.Klasse“ ein, wobei es bei diesem Zug noch eine bessere Klasse gibt: Die Gran Class. Die ist aber wirklich sauteuer und wir waren auch mit unseren Sitzen sehr zufrieden.

Mit dem Shinkansen zu fahren, bedeutet auch nicht viel sehen zu können, denn die Strecken sind autark vom restlichen Netz und oftmal auch mit Mauern abgeschottet, damit keine Tiere oder Menschen die Gleise queren. Wir konnten aber durch ein paar Löcher in der Mauer das schlechte Wetter beobachten, das wir bislang erfolgreich vermieden haben (in Hakodate hat es den Tag geregnet).

In Shin-Hakodate konnten wir (na gut: Jens) den Zug nochmal bewundern.

Und die Strecke endet hier wirklich. Ab 2031 soll es dann aber bis Sapporo weitergehen.

Mit dem extra auf den Shinkansen abgestimmten Hakodate Liner Zug ging es dann in 25 Minuten in die Stadt zurück und unser Ausflug war zu Ende. Viel Fahrerei, aber eben auch viel gesehen. Und viele Eindrücke vom „nicht so touristischen“ Teil Hokkaidos bekommen – also genau das, was wir wollten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.