Der zweite Tag unseres Kurzurlaubs stand unter dem Thema „Kultur“. Die App „GPS my city“ sollte wieder einen auf eigene Faust zu gehenden Weg vorgeben, durch den wir vor allem die Oberstadt von Thessaloniki erkunden sollten. Und „Ober“stadt ist wortwörtlich zu nehmen, denn Ano Poli, wie sie auf griechisch heißt, liegt tatsächlich knapp 400 Meter über dem Meeresspiegel und damit echt hoch über der Gegend wo wir gestern unterwegs waren.
Ach ja, alt-griechisch nennt man die Oberstadt übrigens wortwörtlich auch Akropolis.
Weil wir Urlaub haben und weil wir doch faul sind, haben wir 90 Cents pro Person investiert und sind mit der Buslinie 23 bis zu unserem Startpunkt gefahren. Die Buslinie 23 war seitdem für uns übrigens Synonym für „der Weg zum Friedhof der Busse“, denn bis zu unserer Abreise haben wir keinen Bus jemals in Richtung Stadt fahren sehen. Irgendwo hier oben muss also ein riesiger Busfriedhof liegen …
Quatsch, aber was hier oben auf jeden liegt ist der erste Punkt auf unserer Route: Das Heptapyrgion, eine Festung in der byzantinischen und osmanischen Zitadelle im nordöstlichen Teil der Akropolis in der Oberstadt. Es war Sitz der Garnison des Osmanischen Reichs bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Die Mauern um die Akropolis waren nur noch in Ruinen vorhanden, wohingegen die Festung selber sehr gut erhalten war. Auch wenn wir sie erst auf einem Umweg gefunden haben.
Die fünf nördlichen Türme des Heptapyrgion stammen mit der verbindenden Kurtine wahrscheinlich aus der Zeit des Kaisers Theodosius I. (4. Jahrhundert). Die Türme im Süden dürften dagegen erst im 12. Jahrhundert errichtet worden sein. Die Festung wurde immer wieder erneuert und auf den Stand der jeweiligen Zeit gebracht. Nach den diversen Eroberern von Thessaloniki wurde die Festung dann vom Beginn des 19. Jahrhundert an bis 1989 als Gefängnis genutzt. In der Zeit der sogenannten Metaxas-Regierung, der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg, des Bürgerkriegs und der Obristenherrschaft wurde sie auch für politische Häftlinge genutzt und genoss einen durchaus furchteinflößenden Ruf. Durch das Erdbeben von 1978 erlitt sie Schäden. Seit einigen Jahren wird sie renoviert und unter anderem für kulturelle Events verwendet.
Die Vergangenheit als Knast konnte man auf jeden Fall erkennen.
Die Wachen müssen aber durchaus einen schönen Blick auf die Stadt gehabt haben, was aber bei einer Festung durchaus Sinn macht. Über eine recht steile Treppe (Barrierefrei ist hier mal gar nix) kam man rauf, konnte aber leider nur etwa 2/3 der Mauer begehen.
Im Innenhof – und deswegen war auch noch weniger als üblich begehbar – wurde eine Tribüne für ein Konzert oder eine Aufführung aufgebaut.
In einem ehemalige Zellentrakt gab es dann eine Ausstellung zur Geschichte des Gefängnisses. Einerseits interessant und andererseits eine gern genommene Flucht vor der doch eher drückenden Hitze.
Spannender Beginn und wir haben uns bei dem Gedanken geschaudert hier in einem Raum mit 40 anderen Gefangenen die alle auf den Boden ihre Notdurft verrichteten eine Strafe absitzen zu müssen.
Von hier oben aus ging es dann eine kleine Straße entlang zum nächsten Punkt. Die Oberstadt geht auf die erste christliche Gemeinde im 4. oder 5. Jahrhundert zurück. Nach Eroberung durch die Türken 1430 schrumpfte die Einwohnerzahl fortwährend bis ins 16. Jahrhundert, erlebte dann aber wieder eine gegenläufige Entwicklung als die Moslems vor allem wegen des gesünderen Klimas, aber auch um ihre Präsenz zu unterstreichen, eher in höhergelegene Viertel zogen. Ano Poli blieb auch nach 1912, dem Ende der osmanischen Herrschaft, ein moslimisch geprägtes Viertel, während in dem Teil der unteren Stadt, die direkt ans Meer grenzt, der jüdische Anteil zwischen 60% und 90% betrug und die Griechen in ihren traditionellen Vierteln im Osten und Westen von Thessaloniki lebten. Während der Brand in Thessaloniki 1917 große Teile der Bebauung in der unteren Stadt zerstörte, hat sich in Ano Poli ein Großteil der Stadtgestalt aus byzantinischer und osmanischer Zeit erhalten. In den Jahren nach 1922 hatte Ano Poli durch Flüchtlinge aus Kleinasien eine hohe Bevölkerungsdichte. Als eine Generation später die erwachsen gewordenen Kinder der Flüchtlinge in komfortablere Viertel zogen, verlor Ano Poli Einwohner, bevor es gegen Ende des 20. Jahrhunderts durch verschiedene städtebauliche und denkmalpflegerische Maßnahmen aufgewertet und zunehmend zu einem touristischen Ziel wurde. Dadurch setzte eine in den Teilen des Stadtviertels unterschiedlich stark ausgeprägte Gentrifizierung ein.
Die ehemalige Stadtmauer verdeutlicht die renovierten Anteile der Oberstadt, hier dominieren die Befestigungsanlage zur Verteidigung der Stadt mit der sogenannten Zwischenmauer, die die Gegend der Akropolis von der Oberstadt, dem Tor von Anna Palaiologina und dem imposanten runden Alyseos Turm oder Trigoniou Turm trennte, wo die nordöstliche Seite der Stadtmauer endet. Gebaut wurde diese Festung im 15. Jahrhundert auf der Stelle älterer Teile der byzantinischen Festung der Stadt.
Und hier war wirklich alles schön renoviert.
Für die Statistiker unter den Touristen werden hier Entfernungen auch in Kalorienverbrauch angegeben. Teilweise.
Mit im Preis der Festung / des Gefängnisses war der Trigonenturm, ein Teil der Befestigung, inkludiert und daher machten wir uns auch da hoch. Was eine gute Entscheidung war, denn der Blick war echt cool!
Der weite Blick über den Thermäischen Golf bietet bei guter Sicht sogar die Möglichkeit den etwa 80 Kilometer entfernte Olymp zu sehen.
Heute aber nicht und eine große französische Reisegruppe mit hohem Instagram-Foto-Bedarf bewirkte unseren schnellen Rückzug.
Entlang der Mauer ging es dann weiter zu einem Kloster.
Das Vlatades-Kloster ist das einzige noch erhaltene der in der Stadt Thessaloniki gelegenen byzantinischen Klöster. Auf dem Klostergelände liegen mehrere Zisternen der vom Chortiatis herkommenden Wasserleitung. Das Kloster besitzt mehrere Kirchen innerhalb und außerhalb der Stadt. Und es ist ein aktives Kloster, weswegen wir von Fotos erst einmal abgesehen haben. Außerdem fand eine Taufe statt beziehungsweise wurde vorbereitet, weswegen wir uns auch nicht so lange da aufgehalten haben.
Ach ja, das Kloster ist eines von 15 frühchristliche und byzantinische Bauten in Thessaloniki, die gemeinsam seit 1988 zum UNESCO-Welterbe gehören.
Für uns ging es abwärts, also … wortwörtlich.
Wir fühlten uns richtig aktiv, wobei wir von den Locals eher unbeeindruckte Rückmeldungen erhielten.
Das byzantinische Bad ist eine Badeanlage in Thessaloniki. Das bis zum Jahr 1940 betriebene, mehrfach umgestaltete Bad stammt wohl vom Ende des 13. oder vom Anfang des 14. Jahrhunderts. Das Bad bestand ursprünglich aus Frigidarium (Kaltbad), Tepidarium und Caldarium. Die Innenwände des Frigidariums wurden in türkischer Zeit eingerissen und erst dort wurde der Durchgang zwischen den beiden Räumen des Tepidariums und des Caldariums geschlossen, um getrennte Anlagen für Männer und Frauen zu schaffen. Vorher badeten der Thessalonike und die Thessalonikin gemeinsam.
Damit beendeten wir aber auch unseren Rundweg, denn wir waren von der Sonne etwas überfordert und in den engen Gassen staute sich die Luft ein wenig.
Eigentlich wäre als nächstes das Atatürk-Haus unser Ziel gewesen, das Geburtshaus des türkischen Staatsgründers Kemal Atatürk (1881–1938), was eine Dauerausstellung mit Fotografien, Kleidungsstücke und weitere Exponate aus dem Leben des Präsidenten beinhaltet. Stattdessen kauften wir uns zwei Flaschen Wasser (Meike bezahlte den Euro für die 2 Flaschen mit einem 50 Euro Schein, was ihr ein kleines Naserümpfen des Kiosk-Besitzers einbracht) und machten uns auf zum Bus zurück.
Weitere Orte, die wir uns für unseren nächsten Besuch in Thessaloniki aufbewahren (ja, zu dem Zeitpunkt waren wir uns sicher, dass wir wiederkommen werden) sind beispielsweise die Hagia Sophia, die Kirche zur Heiligen Weisheit, mit ihrer dreischiffige Basilika aus dem 7. Jahrhundert. Oder der Panagia Chalkeon, eine byzantinische Kirche aus dem 11. Jahrhundert. Oder die Kirche des Propheten Elias aus der Zeit der Paläologen (1259 bis 1453).
Es gibt noch viel zu sehen, obwohl man vermutlich auch alles an einem Tag schaffen könnte, wenn man will. Aber stressen wollten wir uns im Urlaub auch nicht.
Was wir auch nicht brauchten ist ein Stiegl und ein Würstelstand, aber glücklicherweise hatte der Laden auch zu.
Gibt hier echt merkwürdige Sachen …
Was wir uns aber noch anschauen wollten war das Wahrzeichen der Stadt, der „Weiße Turm“. Und das taten wir dann auch nach einer kurzen Verschnaufpause auf dem Hotelzimmer.
Der Weiße Turm ist ein Baudenkmal und Museum in der Stadt Thessaloniki. Seit seiner Errichtung im 15. bzw. 16. Jahrhundert durch den osmanischen Architekten Sinan diente der Weiße Turm als Befestigungsanlage, Garnison, Gefängnis und Museum. Er besteht aus zwei stufenförmigen, aufeinander aufsetzen zylinderförmigen Bauteilen mit einer Gesamthöhe von knapp über 31 Metern.
Der Weiße Turm und seine Vorläuferbauten dienten ursprünglich zum Abschluss und zur Bewachung des östlichen bzw. südöstlichen Endes der Seemauern der Stadt. Gleichzeitig war der Weiße Turm auch der Abschluss der östlichen Stadtmauer von Thessaloniki. An der Stelle des Weißen Turms stand ein byzantinischer Turm als Bestandteil der Stadtbefestigungen von Thessaloniki, der damals zweitgrößten Stadt des Byzantinischen Reichs. In seiner heutigen Form ist der Turm osmanischen Ursprungs
Die Osmanen benutzten den Turm als Befestigungsanlage, Truppenunterkunft und als Gefängnis. 1826 fand auf Befehl des Sultans Mahmud II. eine Tötungsaktion an den Gefangenen im Weißen Turm statt. Der Weiße Turm wurde infolge dieser Tat sowie auch seines Gebrauch als Gefängnis unter Einschluss der Anwendung von Folter als „Turm des Blutes“ oder „Roter Turm“ bezeichnet – diese Bezeichnung hielt sich im 19. Jahrhundert.
Rund um den Turm war viel Trubel und sogar ein paar aufdringliche Verkäufer von Tinnef, die einen dazu bringen wollten, etwas von ihrem Kleinkram in die Hand zu nehmen und dann einen zu zwingen, Geld dafür zu zahlen. „For your lady, sir!“, ja klar.
Aber abgesehen davon war eine sehr lebhafte und gute Stimmung, die Mischung aus Einheimischen und Touristen sowie das langsam erträglich werdende Wetter machten Spaß.
Im Park nebenan fiel uns noch eine Statue auf, die Pavlos Melas gewidmet war.
Melas, geboren in Marseille, Frankreich, gestorben unter ungeklärten Umständen in Statista, war ein griechischer Offizier der hellenischen Armee und ein Partisan in Makedonien.
Er war ein Anführer des griechisch Befreiungskampfes gegen die Türken und des bewaffneten Kirchenkampfes gegen die Bulgaren in Makedonien. Er gilt heute als einer der wichtigen Freiheitskämpfer Griechenlands und nach ihm wurden zahlreiche Straßen, aber auch eine Gemeinde Thessalonikis sowie das Dorf Statista, das heute Melas heißt, benannt.
Was auch in der Nähe war: Craft Beer!
Was für ein thematischer Sprung!
Aber das Thema „Craft beer“ hatten wir bislang ja eher dem Wein untergeordnet. Aber so ganz können wir nicht aus unserer Haut und daher gingen wir auch auf dem Weg zum Abendessen kurz in das erste Haus am Platze: Dem Hoppy Pub! Also zumindest was das Thema Bier angeht …
Und natürlich gab es zwei Tasting-Sets. Ausschließlich mit griechischen Bieren, teilweise schon gar nicht mal so gut aber mit einigen Highlights.
Thessaloniki gefällt uns. Irgendwie ist es nicht so eng und hektisch und so, sorry, dreckig wie Athen. Aber es ist immer noch Griechenland und damit etwas fremder, etwas anders als zu Hause. Aber „gut anders“. Durch die vielen Jugendlichen, die in der Fußgängerzone standen oder flanierten ging es dann in Richtung Abendesen.
Naja und wenn sowas mitten in der Innenstadt steht, dann kann man sich vorstellen, dass es hier kulturell noch viel mehr zu entdecken gibt. Aber wir hatten ja schon mehr oder weniger beschlossen, dass wir wiederkommen.
Also rein in den Bus und ab zum Abendessen.