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Street Food und die Freistadt

Und schon war er wieder einmal da: Der letzte Tag des Urlaubs. Wenn man den Rückreise-Tag nicht betrachtet, wohlgemerkt.

Nachdem wir uns gestern Abend recht früh ins Bettchen gemacht haben, waren wir heute überraschend ausgeschlafen und konnten deswegen auch zeitig aufbrechen. Gestern hatten wir noch mehrere potentielle Ziele rausgesucht, uns heute morgen aber dann doch für das mit der Möglichkeit was zu Essen entschieden.

Und unser Ziel war Reffen, ein Streetfood Markt auf dem Gelände der alten Schiffswerft von Kopenhagen gelegen. Im Internet hatten wir einige interessante Rezensionen darüber gelesen und außerdem gab es da eben auch was zu Essen.

Also raus aus dem Hotel und rein in die schon jetzt wieder sonnig-schwüle Kopenhagener Innenstadt.

Wir hatten wirklich schon was Hunger und so überlegten wir kurz diese Hochzeitsfeier zu crashen. Da aber nur der Alkohol unbewacht war (keine Ahnung wieso), haben wir davon Abstand genommen.

Die Fußgängerzone war heute was voller als gestern Abend. Und das, obwohl die Länden teilweise noch gar nicht offen waren.

So aber ganz angenehm, denn es wäre vermutlich sonst noch voller gewesen.

Unser Weg führte uns zur Station Gammel Strand, gleich am Hojbro Platz auf dem eine imposante Reiterstatue stand. Gammel Strand bedeutet übrigens „Alter Strand“ und bezeichnet die ehemalige Küstenlinie des alten Kopenhagens.

Von hier aus fährt auch die Metro, allerdings wollten wir mit dem Bus fahren, denn das Gelände auf dem sich der Street Food Market befindet ist nur mit Bus oder Fähre zu erreichen.

Mit dem Bus ging es zur, etwas … entlegen gelegenen Endhaltestelle mitten in einem etwas heruntergekommenen Industriegebiet. Unser Ziel war aber recht gut ausgeschildert. Andernfalls hätte man auch einfach nur den anderen Menschen folgen müssen, die wohl das gleiche Ziel hatten.

Kurz vor dem leicht an Police Acadamy 1 erinnernden Eingang (der vom Zoo, wo sich die Bösen verschanzt haben) dann wieder ein Beispiel warum in Kopenhagen so viele mit dem Rad fahren: Es ist einfach einfach, denn überall hat man mit dem Rad Möglichkeiten, die man mit dem Auto nicht hat.

Wie hier der eigene Eingang für Radfahrer.

Das Gelände war riesig. Die Food-Buden sind täglich von 11:30 bis 21:30 geöffnet und bieten kleine Speisen von der ganzen Welt an. Lediglich den bei sowas üblichen „deutschen Bratwurst-Stand“ haben wir nicht gefunden und auch nicht vermisst.

Einziges Problem für uns: Die Auswahl war zu groß und so irrten wir ein paar Minuten orientierungslos herum und versuchten uns zwischen koreanischem, griechischem, nord-afrikanischem, süd-afrikanischem, peruanischem und was-weiß-ich-welches-Land Essen zu entscheiden.

Meike entschied sich als erstes für Südamerika und eine Portion Tacos. Jens brauchte etwas länger und musste eine Runde drehen. Und stieß dabei auf eine Brauerei.

Er hat halt ein seltenes Talent, was diese Dinger angeht.

Steaks?

Kurdisches Essen?

Meike hatte inzwischen ihre 3 kleinen Tacos mit Pulled Pork und leicht gewürztem Gemüse ergattert und sich in das in der Mitte des Festivals befindliche Zelt verzogen. Das einzige, was uns nicht so gefallen hat, waren die sehr rar gesäten Schattenplätze.

Und wo eine Brauerei ist …

Jens hatte sich vorher übrigens für ein Domodar entschieden, ein Eintopf aus Gambia mit Erdnussbutter, Karotten, Kohl und Süßkartoffeln. Dazu etwas Hühnchen und eine „milde“ Chilisauce.

Das war schon einmal sehr gut gewesen, sowohl die Tacos als auch das Domodar.

Aber Hunger hatten wir schon und Appetit noch viel mehr, also ging Jens noch eine Runde herum. Wobei er schon vorher seine Augen auf den Sandwichstand mit schweizerisch-französischem Hintergrund geworfen hatte, wo es ein Enten-Sandwich mit Raclettekäse gab.

Bei dem Wetter in so einer Küche zu arbeiten: Kein Spaß!

Spaß machte dagegen das Sandwich. An den Getränken im Hintergrund kann man erkennen, dass Wasser und Säfte eher das Rennen machten als das Bier.

Leider waren wir jetzt satt, was wirklich schade war, denn die Auswahl war fantastisch, wenn auch nicht preiswert. Das Sandwich kostete beispielsweise etwa 14 Euro, war aber wiederum auch aus Bio-Ente, frisch gemacht und mit viel Gemüse versehen.

Qualität kostet und in diesem Falle bezahlte man ja auch das Ambiente dazu. Zu letzterem merkten wir dann, dass das Gelände doch noch sehr viel größer ist, als wir dachten. Es gehört beispielsweise dieser Strand dazu.

Aber alles in der Sonne, was den SonnenanbeterInnen nix ausmacht. Den deutschen Touristen aber schon und so machten wir uns langsam auf den Weg zurück.

Eine sehr schöne Sache dieses Reffen und beim nächsten Besuch würden wir tatsächlich wieder hier hin kommen. Die ein oder andere Bude haben wir ja noch offen …

Also zurück zum Bus, wobei es hier das Problem gab, dass der Bus vorher ausgefallen war und viele Familien mit Kinderwagen auf denselben gewartet hatten. Wurde also recht voll und daher überlegten wir schnell, wann wir möglichst bald aus dem Bus wieder aussteigen können.

Praktischerweise fuhr er an eine weiteren „Können wir hingehen“-Punkt vorbei: Der Freistadt Christiania.

Die Freistadt Christiania wird von vielen auch als Sinnbild für die Freiheit der Dänen gesehen und ist eine seit 1971 bestehende alternative Wohnsiedlung in einer ehemaligen Kaserne. Aus Sicht der dänischen Behörden handelt es sich um eine staatlich geduldete autonome Gemeinde.

Das Gelände verfiel nach dem Abzug des Militärs nach und nach. Und da Wohnraum in Kopenhagen schon damals rar war, wurde das Gelände 1971 von Einwohnern als Spielplatz für ihre Kinder genutzt. Organisiert war da noch gar nichts und es war auch nicht die Provokation gegen den dänischen Staat, was viele damals meinten.

Im September 1971 wurde dann allerdings Christiania von Jacob Ludvigsen, einem bekannten Provokateur, als eröffnet erklärt. Kurz danach wurde von einigen Bewohnern / Hausbesetzern das Leitbild von Christiania geschrieben, was folgendes enthält: „Das Ziel von Christiania ist das Erschaffen einer selbstregierenden Gesellschaft, in der alle und jeder für sich für das Wohlergehen der gesamten Gemeinschaft verantwortlich ist. Unsere Gesellschaft soll ökonomisch selbsttragend sein, und als solche ist es unser Bestreben, unerschütterlich in unserer Überzeugung zu sein, dass psychische und physische Armut verhindert werden kann.“

Christiania sollte im Gegensatz zur vorherigen militärischen Nutzung einen Kontrast bilden und zog so schnell Anhänger der Hippiebewegung, Hausbesetzer und Anarchisten an.

Generell gelten hier etwas andere Regeln, so ist zum Beispiel der Konsum von leichten Drogen erlaubt. Die Regeln verbieten aber Diebstahl, Gewalt, Waffen und harte Drogen. Kugelsichere Westen sind ebenso unerwünscht wie die Abzeichen von Motorradclubs wie Hells Angels und Bandidos, die mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung stehen.

Man verlässt also die EU beziehungsweise reist wieder in sie ein, wenn man das Gelände verlässt.

Christiania gehört als Gelände übrigens immer noch dem dänischen Verteidigungsministerium und mit diesem wurde 1995 eine Vereinbarung getroffen, dass die Bewohner an das Ministerium Steuern und Gebühren für die Nebenkosten zahlen.

Die Zukunft war lange Zeit unsicher und es gab den einen oder anderen Versuch das Gebiet zu räumen. Allerdings alle nicht erfolgreich. Aktuell gibt es wohl eine Einigung der Bewohner mit der dänischen Regierung, das Gebiet zu kaufen. Mal schauen, ob daraus was wird.

Generell war es super merkwürdig hier herumzulaufen. Neben den vielen Touristen mischten sich die Einwohner. Es gab künstlerische Läden, Touristen-Shops und dann wieder ein Baumarkt. Überall roch es sehr kräuterig und nicht wenige waren auch total stoned.

Was uns zu der „Pusher Street“ bringt: Um das Thema „Verlauf von Cannabis“ etwas einzudämmen, wurde von den Bewohnern beschlossen, den Verkauf auf eine Straße zu begrenzen. Hier darf kein Foto gemacht werden, was man auch nicht will, denn hier ist es schon recht merkwürdig von der Atmosphäre her. Den eigenen Regeln nach kann die Pusher Street nicht abgeschafft werden, solange nicht jeder nach dem Konsenzprinzip ein Einverständnis dazu gibt. Also bleibt sie, denn es gibt einige Bewohner, die das als ok betrachten. Es zieht eben auch Touristen an, die ihr Geld hier lassen. Aber auch Klientel, was man nicht haben möchte – es ist also mindestens mal ein zweischneidiges Schwert.

Wir haben uns was Saft gekauft und uns an den Rand des zentralen Platzes gesetzt und das Treiben beobachtet. Und dabei doch eine signifikante Menge an passivem Cannabis-Konsum über uns ergehen lassen müssen. Also dann doch lieber weiter und weg von den Mengen, die sich hier herumtrieben. Verblüffend viele Niederländer übrigens …

Wenn man etwas weg geht, werden die Menschen auch fast schon normaler und die Häuser bunter. Generell haben die Bewohner sehr individuelle Ansichten, wie ihr Haus zu dekorieren ist und irgendwie fühlte man sich wie ein einer Traumwelt. Was aber wohl auch das Ziel sein dürfte, denn Individualität ist ein hohes Gut hier in Chistiania.

Viele Fotos haben wir nicht gemacht, denn es erschien uns nicht richtig so in die Privatsphäre der Menschen einzudringen. Aber es waren schon coole Häuser dabei, zum Beispiel eines, wo es zwei Eingänge gab. Eine Treppe für Erwachsene und ein Erlebnistunnel für Kinder.

Alles schon krass anders hier.

Über eine kleine Brücke verließen wir dann Christiania und hatten gemischte Gefühle. Einerseits war das alles schon eine spannende Art zu leben mit der konsequenten Freiheit des Individuums, andererseits war es auch oft sehr konsumorientiert und touristisch. Und das mit den Drogen ist halt auch gewöhnungsbedürftig, denn es fokussiert sich alles rund um die eine Straße und so hat man da schon etwas beklemmende Gefühle ob der beteiligten Personen.

Mit Unterstützung von Google Maps fanden wir eine Bushaltestelle (obschon durch eine Baustelle nicht wirklich erkennbar) und setzen uns in den angenehm klimatisierten Bus.

Der passenderweise zurück nach Gammel Strand fuhr. Auch wenn wir die Haltestelle verpassten und eine weiter aussteigen mussten.

War aber nicht schlimm, denn das Wetter war halbwegs ok und so konnten wir noch ein paar Schritte durch Seitenstraßen machen.

Inklusiver lustigen Schildern – wir mögen sowas ja.

Kurz danach waren wir zurück im Hotel und ruhten uns noch etwas vor unserem letzten Abendessen dieses Urlaubs aus. Ein Tag voller Gegensätze aber alles spannend. Kopenhagen beginnt in unserem Ansehen in die Top 5 zu klettern – die Stadt bietet sehr, sehr viel!

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