So denn: Samstag, Geburtstag. Also der von Jan. Im Vorfeld wurden ein paar Optionen für den Tag besprochen. Also ohne Jan.
Letztendlich entschieden Susanne und Jens dann eine Aktivität, die uns in das ehemalige Portal des Bayrischen Bahnhofs von Leipzig brachte.
Jens konnte hier den Bahn-Nerd ausleben, denn dieses liegt am ehemaligen Bayrischen Bahnhof südöstlich der Altstadt. 1842 wurde der Bahnhof von der Sächsisch-Bayerischen Eisenbahn-Compagnie in Betrieb genommen und galt bis zu seiner Schließung im Jahr 2001 als der älteste in Betrieb befindliche Kopfbahnhof Deutschlands. Oder sogar als ältester noch erhaltener Kopfbahnhof der Welt, wer will das schon sagen. Im Rahmen der Bauarbeiten für den City-Tunnel, der Leipzig für den Nahverkehr untertunnelt, wurden die Gleisanlagen 2001 dann abgerissen.
Der beeindruckende Kopfbau der früheren Bahnhofshalle steht allerdings als Denkmal unter staatlichem Schutz und musste erhalten werden. Deshalb konnte er nicht abgerissen werden, stand aber dem Bau im Wege. Also wurde die 20 Meter hohe, 30 Meter breite und sechs Meter tiefe sowie 2800 Tonnen schwere Portikus am 10. April 2006 mit Hilfe spezieller Gleitlager um 30 Meter nach Osten verschoben. Das Fundament wurde dazu mit Beton ummantelt und das gesamte Portal auf Stahlträger gehoben und verschoben. Nachdem die neue unterirdische Station dann fertigstellt wurde, verschob man das Teil auch wieder an seine alte Stelle zurück.
Schon krass, was der Denkmalschutz so bewirkt.
Leider ist bis auf den Bau nicht mehr viel zu sehen und da wir was Zeit hatten, gingen wir entlang der Straße des 18. Oktober vom Bayrischen Platz in südöstlicher Richtung zum Völkerschlachtdenkmal führt. Ihr Name erinnert an den Tag des entscheidenden Sieges der alliierten Truppen über Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig, den 18. Oktober 1813. Die Häuser erinnerten an Dokumentationen über die ehemalige DDR.
Na gut, durch unsere vielen Besuche in Schottland wissen wir ja auch „Do not judge a book by it´s cover!“ und in den Wohnungen sieht es bestimmt meistens anders aus.
Apropos „Do not judge …“ – den Hauptanteil an der geplante Aktivität hatten diese Dinge hier.
Für Jan war eine „Trabbi-Tour“ gebucht worden, unter Anleitung sollte es 90 Minuten mit dem Erzeugnis der VEB Sachsenring durch Leipzig gehen.
Nach einer kleinen Einführung schriebt Jan noch kurz was in sein Handy, vermutlich sowas wie einen letzten Willen oder so.
Aus uns unerfindlichen Gründen wurden Jan und Jens nach Vorne gesetzt. Was zur Folge hatte, dass Jan jedes Mal wenn er schalten musste, Jens befummelte. Währenddessen jammerten Susanne und Meike auf der Rückbank über den mangelnden Sitzkomfort. Und Jens versuchte wenig und sehr flach zu atmen und seine Knie nicht zu stark in die vor ihm liegende Ablage zu drücken. Weil die Ablage als erste nachgab.
Und alle zusammen versuchten wir nicht zu viel zu lachen. Gelang eher so semi.
Mit zwei weiteren Trabanten … Trabbis? Trabbae? Autos ging es dann auf in Richtung alte Messe. Per Funk waren wir mit dem Führungs-Trabbi verbunden und wurden überaus unterhaltsam durch die Stadt geleitet.
Das Video, wo Susanne und Meike in schallendes Gelächter ausbrechen, weil es über Kopfsteinpflaster geht, während Jan und Jens versuchten nicht aus dem Auto zu fliegen (die Tür wäre absolut kein Hindernis gewesen!) sparen wir uns mal. Stattdessen hier ein Bild vom Gelände der ehemaligen alten Messe wo wir dann hindurchfuhren.
Die Alte Messe ist ein etwa 50 Hektar großes Gelände, auf dem von 1920 bis 1991 die Ausstellungen der Technischen Messe im Rahmen der Leipziger Messe stattfanden. Seit 1996 finden hier keine Messen mehr statt, da anstelle das Neue Messegelände am Stadtrand gebaut und verwendet wurde.
Für uns ging es vorbei an der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig in Richtung des „Völki“ wie es unser Guide verniedlichend bezeichnete.
Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum, was wir als nächstes passierten, wurde 1884 als Deutsches Buchgewerbe-Museum gegründet und ist das älteste Fachmuseum seiner Art. Heute ist es ein Teil der Deutschen Nationalbibliothek.
Mit ordentlich „Geknatter“ und mit diversen Sprüchen unseres Guides ging es dann weiter. Dabei wurden auch links und rechts des Weges Sehenswürdigkeiten gezeigt, Geschichten erzählt und auch immer wieder auf die Vollständigkeit der Trabbi-Kolonne geachtet. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg, denn zwei Mal haben wir den jeweils hintersten Trabant an einer Ampel verloren. Die Duroplast-Karren mit ihren 27 PS starken Motoren und die fehlende Servo-Lenkung waren eine Herausforderung und ein valider Ersatz für den Besuch in einem Fitnessstudio.
Am „Völki“ dann eine erste Pause, die gerade von unserem Wagen, der mit Sicherheit die höchste Achslast aller 4 Autos zu befördern hatte, sehr ersehnt wurde.
Ach ja, Kultur hatte es hier auch, denn in der „Kika“-Version (eine kleine Dame war mit dabei) wurde die Völkerschlacht erzählt. Vom 16. bis 19. Oktober 1813 gab es hier die entscheidende Schlacht der Befreiungskriege, in der die Truppen der Koalition von Russland, Preußen, Österreich und Schweden sowie kleineren Fürstentümern die Truppen Frankreichs und seiner Verbündeten unter Napoleon Bonaparte bekämpften. Die der Niederlage der Franzosen hatte Napoleons Rückzug aus Deutschland zur Folge, begleitet vom Zusammenbruch des Rheinbunds als Stütze seiner Herrschaft.
Mit bis zu 600.000 Teilnehmern aus über einem Dutzend Ländern war dieser Kampf bis dahin wahrscheinlich die größte Schlacht der Weltgeschichte. In der Schlacht wurden von den rund 600.000 beteiligten Soldaten 92.000 getötet oder verwundet.
Zum 100-jährigen Jubiläum der Schlacht wurde von 1898 bis 1913 das Völkerschlachtdenkmal im Monumentalstil errichtet. Das Monument stellt einen Turm dar, in dem sich eine Ruhmeshalle und eine Krypta befinden. Mit einer Höhe von rund 91 Metern ist es das höchste Denkmal Europas, es hat eine Höhe von 91 Metern und man muss 500 Stufen bis zur Aussichtsplattform überwinden. Wenn man darf, denn als Besonderheit hat es hier eine Ampel, die den Auf- beziehungsweise Abstieg regelt.
Alle baulichen Anlagen haben ein Gesamtgewicht von über 300.000 Tonnen, es wurden insgesamt 120.000 m³ Beton verbaut.
Beeindruckend! Auch wenn sich unsere Blicke und auch die der vorbeigehenden Touristen immer auf die Rennpappen unserer Gruppe richteten.
Nachdem wir alle in einer wohlüberlegten Reihenfolge (erst das eine Bein, dann den Körper, dann das andere Bein nachziehen) eingestiegen waren, sah es dann so aus.
Und weiter ging es zu den MDR-Studios, wo unter anderem eine Fernsehserie „In aller Freundschaft“ gedreht wird. In einem extra dafür gebauten Kulisse, die sehr einem echten Klinikum ähnelt. So ähnlich, dass es auch mal zu Verwechslungen kommt.
Die Serie gibt es übrigens seit 1998 und es wurden über 1100 Folgen gedreht. Ist irgendwie an uns vorbeigegangen. Das Freunde von uns ein Backhaus in Leipzig haben übrigens auch.
Es ging langsam in den Stadtteil Zentrum-Süd über die Karl-Liebknecht-Straße, umgangssprachlich auch „Karli“ genannt, sie mögen die Verniedlichungen hier in Leipzig. Dies ist eine bedeutende Straße 2,5 Kilometer lange Straße, die vom Zentrum bis zum Vorort Connewitz führt. Und die ein eher alternativ angehauchter Stadtteil ist, was erfrischend bunt aussah.
In der Ferne war dann wieder etwas modernes sichtbar, nämlich das City-Hochhaus Leipzig, was am südwestlichen Rand des Augustusplatzes steht. Mit 34 Etagen ist es ein Wahrzeichen der Stadt und mit 142,5 Metern das höchste Gebäude Leipzigs. Aufgrund der drei langen, leicht nach innen gewölbten Längsseiten bei einer überhöhten Schmalseite kann die Form des Gebäudes aus Straßensicht als ein aufgeschlagenes Buch interpretiert werden. Wegen seiner ursprünglichen Nutzung durch die Universität Leipzig entstand im Volksmund der Name Uniriese. Oder „Professoren-Abschussrampe“ …
Wobei, so neu ist es nicht, denn es wurde bereits 1972 erbaut.
Definitiv älter waren dann die verschiedenen Gebäude, die wir auf dem Weg zum ehemaligen Zentralstadion zu Gesicht bekommen. Und älter kann auch die Tarta-Bahn sein, auf die wir hier trafen, denn die Wagen wurden zwischen 1967 und 1987 in der Tschechoslowakei hergestellt und waren in der DDR ja sehr verbreitet.
Dann mal wieder Kopfsteinpflaster. Toll. Hier warteten wir dann auch zum zweiten Mal auf den hintersten Trabant, was unser Guide erst nach einer Weile bemerkte. Jan hatte noch mit der Lichthupe versucht Aufmerksamkeit herzustellen, das gelang aber nur so semi. Während unser Guide dann per Funke versuchte Kontakt mit dem verschwundenen Gefährt herzustellen, tuckerte es auf einmal rechts aus der Seitenstraße heraus.
Geht nichts verloren hier in Leipzig.
Nächster und letzter Programmpunkt: Das ehemalige Zentralstadion und heute Stadion von RB Leipzig.
Leipzig hat eine lange und große Fußballtradition. Es war 1900 Gründungsort des Deutschen Fußball-Bundes und die Gründungsversammlung fand im Restaurant „Zum Mariengarten“ in Leipzig statt. Der VfB Leipzig war mit vier weiteren Leipziger Vereinen Gründungsmitglied des DFB. Bei der ersten deutschen Meisterschaft konnte sich der VfB Leipzig den Meistertitel sichern. In den Jahren 1906 und 1913 konnten sie erneut deutscher Meister werden.
Das Zentralstadion, auch Stadion der Hunderttausend, Sportforum oder retrospektiv altes Zentralstadion genannt, war ein Stadion mit Leichtathletikanlage. Es wurde auf Trümmerschutt aus den Luftangriffen erbaut und diente hauptsächlich zur Austragung von Fußballspielen auf nationaler und internationaler Ebene. Es war aber auch Austragungsort von verschiedenen anderen Veranstaltungen, wie dem Turn- und Sportfest der DDR. Mit einer Kapazität von insgesamt 100.000 Zuschauern, die dem Stadion den Spitznamen Stadion der Hunderttausend einbrachte, war es das größte Stadion der DDR und Deutschlands. 2000 wurde das Zentralstadion abgerissen. An gleicher Stelle wurde für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 das „neue“ Zentralstadion als reines Fußballstadion errichtet. Und seit 2010 heißt die Schüssel halt eben „Red Bull Arena“.
Dies und noch viele andere, sportbezogene Themen besprachen wir im Sonnenschein und rund um unsere Trabbis herum.
Keine Ahnung warum, aber irgendwie machte der Trabant, zumindest auf unserer kurzen Fahrt, echt Spaß. Und die Leute links und rechts der Straße lachten auch oft, wenn man vorbeiknatterte.
Ein letzter Fun Fact: Im September 1956 wurde beim Oberliga-Spiel SC Rotation Leipzig gegen SC Lokomotive Leipzig der deutsche Zuschauerrekord aufgestellt, mit 100.000 Besuchern. Offiziell, denn mit „Sicherheit“ waren mehr Leute im Stadion, denn die Stasi war mit einem Großaufgebot von Mitarbeitern auch dabei und die hatten eher kein Ticket.
In dem Stile ging es dann zurück zum Ausgangspunkt, weiter mit Humor, Info und Freude geleitet vom roten Trabanten vorneweg.
Am Ende „bestaunten“ wir noch den kleinen Motor und überlegten, wie es wohl früher war, wenn man mit so eine Gefährt bis an die Ostsee oder den Plattensee fahren wollte.
Aber: Aus unerfindlichen Gründen hat das sehr, sehr viel Spaß gemacht. Was an den Autos lag, was aber auch vor allem an unserem Guide lag. Klare Empfehlung! Und wir mussten uns danach erst einmal etwas abkühlen.
Ach ja, womit kann man die Beschleunigung eines Trabis messen? Mit einem Kalender! 🙂