Der zweite Tag in Helsinki begann wie der erste: Mit einem Anruf bei der Koffer-Hotline von Lufthansa und der Frage an der Rezeption: Wisst ihr wo unsere Koffer sind?
Antwort: Nein und Nein. Die Hotline hatte heute aber die Vermutung, dass unsere Koffer doch eigentlich in Helsinki sein müssten. Wir mögen doch bitte was warten und dann nochmal anrufen, wenn nichts zugestellt wurde.
So positiv gestimmt machten wir uns durch den Regen auf zum Hafen bzw. zum Marktplatz von gestern.
Ach so: Tram fahren in Helsinki – einfach wie sonst nix.
Das Wetter hingegen war nix. Genauso wie unsere Zeitplanung, denn natürlich sahen wir gerade, wie eine Fähre ablegte.
Warum eine Fähre? Weil es heute zu einem UNESCO Weltkulturerbe geht. Zu einem, wozu es sogar ein Gedicht gibt, was in etwa so geht:
Sie blickt über Meer und Fjord mit Augen aus Granit, sie hebt hoch ihr Gustavschwert und sagt stolz: Komm her!
Das Schwert wird nicht gesenkt, um zu kämpfen, es blitzt nur und vernichtet so. Lass es bleiben, der Insel trotzig zu nahen wenn der Krieg seine Runde macht
Störe nicht die Königin der See im Augenblick ihres Zornes Sie schleudert gegen dich die Botschaft des Todes im Laut von tausenden Kanonen.
Poetisch, oder?
Das Wetter war auf jeden Fall ähnlich traurig, denn es regnete Bindfäden. Was durch das kleine, alte Kartenhäuschen mit einem schönen Vordach schon auszuhalten war. Was auch die paar Gäste und die vielen Pfadfinder fanden, die sich nach und nach hier einfanden, um dann in die relativ knapp vor der Abfahrt umparkende Fähre einzusteigen.
Regen, Regen, Regen.
Aber das Ziel sollte es wert sein, denn es geht zur Festung Suomenlinna, einer 1748 erbauten und seitdem mehrfach erweiterten sogenannten Inselburg.
Die Festung besteht aus 5 Inseln, die durch Brücken und Aufschüttungen miteinander verbunden wurden und betrug im Endausbau knappe 80 Hektar. Eine 6 Kilometer lange Mauer umgab die Festung, die von 105 Kanonen befestigt wurden. Das Ganze wurde 1748 von den Schweden erbaut, da Finnland damals noch Teil des schwedischen Königreiches war. Dementsprechend lautet der schwedische Name auch übersetzt „Schwedenburg“, wohingegen der finnische Name Suomenlinna sinnvollerweise „Finnenburg“ bedeutet.
Die Insel selber ist eines der beliebtesten Ausflugsziele der finnischen Hauptstadt und auch von etwa 850 Menschen ständig bewohnt. Seit dem Ende ihrer militärischen Nutzung im Jahr 1973 werden die Inseln vom Ministerium für Bildung und Kultur verwaltet, mit Ausnahme der Insel Pikku-Musta, die nach wie vor die Marineschule des finnischen Militärs beherbergt. Neben der historischen Festung selbst beherbergen die Inseln auch mehrere Museen und einige andere Einrichtungen, darunter ein Gefängnis.
Aufgrund des eher unbequemen Wetters machten wir uns einfach auf und erkundeten die Insel entlang des Haupt-Weges, der durch blaue Pfeile eigentlich gut gekennzeichnet war. Mit uns gab es noch ein paar indische Touristen, die Pfadfinder und noch ein paar Menschen.
So früh morgens war die Insel allerdings noch im Tiefschlaf. Hatte aber auch was, fanden wir zumindest.
Der Wind macht es aber schwierig, gerade für Meikes Hotel-Regenschirm. Denn ihrer war natürlich auch im immer noch vermissten Koffer.
Mit Beginn des russisch-schwedischen Krieges um 1808 kam der Festung eine wichtige Stellung zu, denn von hier aus wurde die Hauptstadt beschützt und stellte die angreifenden Russen vor einige Probleme. Auch nachdem Helsinki letztendlich im März 1808 eingenommen wurde, konnte Suomenlinna gehalten werden und wurde erst nach Verhandlungen an die Russen übergeben, was die 600-jährige schwedischer Herrschaft über Finnland beendete.
Danach wurde von den Russen die Insel weiter erweitert und befestigt, zeitweise lebten hier über 12.000 Soldaten.
Ein Museum erklärte noch mehr Details der Geschichte, da hatten wir aber irgendwie kein großes Interesse dran. Also ging es weiter durch Wind und Regen.
Nach Beginn des Krimkrieges 1854 beschossen die alliierten Streitkräfte die Insel drei Tage lang, was nachhaltige Schäden verursachte. Aber die Insel blieb weiter in der Hand der Russen, was sich erst mit der Russischen Revolution änderte, wo die Finnen ihre Unabhängig erreicht haben.
Vieles, was an die russische Besatzung erinnerte wurde danach umgestaltet, so zum Beispiel die orthodoxen Kuppeln der Kirchen, die an den Stil der klassizistischen lutherischen Kirchen angeglichen wurden.
Noch im zweiten Weltkrieg war die Insel von strategischer Bedeutung, denn hier war ein großer militärischer Stützpunkt bei der Verteidigung Finnlands. Aber nach dem Krieg war es dann (hoffentlich für immer) vorbei mit dem Krieg in der Gegend und so verlor die Insel an militärischer Bedeutung und wurde 1973 dann einer vorwiegend ziviler Nutzung zugeführt.
Noch heute gilt Suomenlinna als ein Musterbeispiel für Militär- und Festungsarchitektur, die bei der Errichtung stark an die Ideen des Baumeisters Vauban angelehnt war. Was dann eben auch zum Eintrag in die Liste der UNSECO Weltkulturerbe führte.
Wir schlenderten von hier nach da und erblickten dann einen schön erleuchteten Tunnel in einer Festungsmauer.
Aber so allgemein war es schon recht trostlos und ein Besuch hier macht bei schönem Wetter eher Sinn. Oder bei schönem Schneefall, denn die alten Gebäude, die vielen Bäume und die Wege waren schon schön anzusehen.
Wir gaben aber auf, denn angesichts der Tatsache, dass wir aktuell nur im Besitz von einer Hose waren (also jeder eine!), wollten wir nicht völlig durchnässt ins Hotel zurückgehen, also schlugen wir eine kleine Kurve und machten uns zurück zum Anleger.
Dort gab es noch einmal einen schön beleuchteten Tunnel in dem ehemaligen Kommandanturgebäude.
Und eine Brauerei. Und genau dort wollten wir hin, denn uns war nach was wärmendes. Beziehungsweise erst einmal ein Bier.
Gefolgt von einer sehr wärmenden Lachs-Creme-Suppe mit einer enormen Menge Dill.
Nicht ganz günstig aber sehr lecker. Das Bier war ok, aber nicht so besonders, daher hielten wir uns hier ein wenig zurück. Am Abend sollte ja auch noch ein leckeres Essen folgen und dafür wollten wir noch unseren Geschmack bewahren.
Die Fähre, die übrigens zum ÖPNV zählt und mit einem Tagesticket auch benutzt werden darf, fährt im Sommer alle 15 Minuten, im Winter etwas seltener. Da wir von unserem Platz im Restaurant der Brauerei einen guten Blick auf den Anleger hatten, konnten wir die Abfahrt aber gut abpassen.
Nicht, dass die HKL App so ziemlich jeder App eines deutschen Verkehrsunternehmens überlegen ist und uns sogar daran erinnert hat, dass unsere zuletzt gesuchte Abfahrt bald sei und wir jetzt losgehen müssen. Also trafen wir fast genau bei der Ankunft der Fähre ein und setzten uns in der Fähre an das Fenster. Wobei wir eigentlich eher an der Heizung sitzen wollten.
Zurück im Hafen am Martkplatz schlenderten wir dann einfach noch hin und her. Spannend war dieses Treffen der örtlichen Seenotrettung.
Wir haben leider nicht herausgefunden, was das für ein Treffen war. Aber irgendwie waren viele Kinder und Jugendliche da, die ihren Eltern und Freunden die Schiffe zeigen durften.
Wir fokussierten uns auf warme Getränke: Kaffee für Jens und Glöggi für Meike.
Beim opulenten Angebot an Süßspeisen sagten wir glücklicherweise „Nein“. War aber schwer.
Und mit einer kleinen Runde an Straßenbahn-Fahrt für Jens ging es dann zurück zum Hotel.
Die Insel ist schon cool, allerdings bei Mistwetter nicht so spektakulär wie sie es bei schönem Wetter sein muss. Aber trotzdem ein beeindruckendes Symbol, was das Militär früher gebaut hat und wie wechselhaft die Vergangenheit Helsinkis und Finnlands ist.