Zum Inhalt springen

Europa – immer noch gute Idee

Straßburg ist ja, wie schon erwähnt, eine Stadt mit einer bewegten Vergangenheit. Mal in französischer, mal in deutscher Hand kennt man sich mit den kulturellen Besonderheiten der beiden Nachbarländer aus.

Insofern war es nicht so verwunderlich, dass am 17. Juli 1979 zum ersten Mal das neu gegründete Europäische Parlament in Strasbourg zusammentrat und hier seinen Sitz fand.

Straßburg ist Sitz zahlreicher europäischer Einrichtungen, unter anderem Europarat, Europaparlament, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Europäischer Bürgerbeauftragter und Eurokorps. Aufgrund dessen versteht sich die Stadt als „Hauptstadt Europas“, was omnipräsent in der Stadt und auch im Tourismus ist.

Da wir aber bekennende Europäer sind wollten wir uns das Ganze mal mit eigenen Augen anschauen. Und das kann man in Strasbourg einfach so indem man in eine Straßenbahn steigt. Zu der wir aber erst einmal hingehen mussten und auf dem Weg schon einmal einen Blick auf den Ort unseres heutigen Abendessens werfen konnten.

In Strasbourg lohnt es sich immer mal links oder rechts in die Gassen zu blicken, ab uns zu entdeckt man was spannendes wie dieses Wandbild.

Dann ging es aber los zum EU Parlament, was nördlich der Innenstadt liegt. Die Bahn fährt übrigens über Wacken, wer hätte es gedacht! 😉

In das Parlament kommt man, ähnlich wie bei der UNO oder anderen Institutionen, nicht so ohne weiteres. Als EU Bürger ist der Zutritt aber mit dem Personalausweis kostenlos möglich. Nach einer erfreulich kurzen Schlange ging es zum Empfang, wo wir uns unser Gepäck untersucht wurden und wir dann in das Gebäude durften.

Das Europäische Parlament wird seit 1979 alle fünf Jahre in allgemeinen, unmittelbaren, freien, geheimen, aber nicht gleichen Europawahlen von den Bürgern der EU gewählt. „Nicht gleich“ deswegen, weil größere Staaten grundsätzlich mehr Abgeordnete als kleinere Staaten haben, kleinere Staaten allerdings mehr Abgeordnete pro Einwohner als größere Staaten haben. Das Europäische Parlament ist somit das einzige direkt gewählte Organ der Europäischen Union und die einzige direkt gewählte supranationale Institution weltweit. Zuletzt wurde das Parlament vom 6. bis 9. Juni 2024 gewählt. Das neu gewählte Parlament konstituierte sich am 16. Juli 2024.

Seit der Gründung des Parlaments 1952 wurden seine Kompetenzen bei der EU-Rechtsetzung mehrmals deutlich erweitert, vor allem durch den Vertrag von Maastricht 1992 und zuletzt durch den Vertrag von Lissabon 2007, der am 1. Dezember 2009 in Kraft trat. Auch in Bezug auf die Bildung der Exekutive, also die Wahl der Europäischen Kommission, wurden die Rechte des Parlaments schrittweise ausgebaut. So müssen sich die Kandidaten für die EU-Kommission zunächst einer Anhörung im Europäischen Parlament stellen und ihre Eignung und Befähigung für das vorgeschlagene Amt unter Beweis stellen. Diese Anhörung führt in der Regel der entsprechende Ausschuss des Europäischen Parlaments durch und alle Anhörungen werden per Web-Stream über die Website des Europäischen Parlaments auch öffentlich gemacht. Erst nach der erfolgreich bestandenen Anhörung kann das Europäische Parlament (Plenum) den Kandidaten zum Mitglied der EU-Kommission wählen.

Im Europäischen Parlament fehlt der für viele Parlamente typische Gegensatz zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen. Anders als in den meisten nationalen Parlamenten, in denen die Regierungsfraktionen normalerweise loyal zur Regierung stehen und deren Gesetzentwürfe prinzipiell unterstützen, bilden sich im Europäischen Parlament je nach Abstimmungsthema wechselnde Mehrheiten. Dies bewirkt auch, dass die einzelnen Europa-Abgeordneten unabhängiger sind und mit Verhandlungsgeschick und Sachkenntnis größeren Einfluss auf die EU-Gesetzgebung haben, als es Abgeordneten nationaler Parlamente möglich ist.

Erste Präsidentin des direkt gewählten Parlaments wurde 1979 die französische Politikerin Simone Veil, die als junge Frau die Konzentrationslager Auschwitz und Bergen-Belsen überlebt hatte.

Wie gesagt ist Strasbourg der offizielle Sitz des Europäischen Parlaments und gesetzlich verpflichtet, dort zwölfmal im Jahr zu einer Sitzung zusammenzukommen, die in der Regel jeweils etwa vier Tage dauert. Der Großteil der Arbeit findet jedoch in Brüssel statt, und einige andere Arbeiten werden in Luxemburg durchgeführt. Aber auch alle Abstimmungen des Europäischen Parlaments müssen in Straßburg stattfinden. „Zusätzliche“ Sitzungen und Ausschüsse finden in Brüssel statt. Obwohl de facto ein Großteil der Arbeit des Parlaments mittlerweile auf seinen Standort in Brüssel ausgerichtet ist, ist es rechtlich verpflichtet, Straßburg als seinen offiziellen Sitz beizubehalten – eine Situation, die sowohl vom Europäischen Parlament selbst als auch von vielen Interessengruppen, Verwaltungsmitarbeitern und Umweltschutzorganisationen unter anderem heftig kritisiert wird.

Die sechs Gebäude des Parlaments, die alle nach bedeutenden europäischen Politikern benannt sind, befinden sich im Quartier Européen, das es sich mit anderen europäischen Organisationen teilt, die nicht zur Europäischen Union gehören. Früher teilte sich das Parlament den Versammlungssaal mit dem Europarat. Heute ist das Hauptgebäude das Louise-Weiss-Gebäude, das 1999 eingeweiht wurde und nach der Frauenrechtlerin und ehemaligen Europaabgeordneten Louise Weiss benannt ist.

Und da standen wir jetzt drin.

Bis auf eine chinesische Familie, die unfassbar dreist, laut und respektlos war und eine deutsche Vater-Tochter (vermuten wir zumindest) Kombi, bei denen wir leider verstanden, was für einen Quatsch sie redeten, waren nur noch ein paar andere europäische Touristen da. Geführte Touren gibt es auch, leider waren sie alle ausgebucht. Also mussten wir in Eigenregie durch die öffentliche Bereiche des Parlaments gehen, was aber durch diverse Ausstellungen, Info-Stände oder Aushänge auch sehr informativ war.

So gab es zum Beispiel diese Ausstellung der aktuellen Präsidentschaft Dänemarks, die einen Fokus auf Nachhaltigkeit setzten will und dies durch viele spannende Projekte unterstützen möchte.

Hier standen wir nun, wo sonst Politiker zum Gruppenfoto antreten. Man kann ja vieles an Europa und seinen Institutionen kritisieren, aber ohne wäre alles viel schlimmer. Und man darf nie vergessen, welchen Frieden und Wohlstand die EU uns allen gebracht hat.

Viel Symbolik gab es natürlich auch. Beispielsweise bei den Ausstellungsstücken, die Gäste des Parlamentes mitgebracht haben. Natürlich waren völlig zufällig die Geschenke des israelischen Präsidenten, des jordanischen Königs und das palästinensischen Präsidenten in einer Vitrine.

Briefmarken gab es auch, leider hat das Postamt geschlossen. Früher konnte man hier Briefe mit Sonderbriefmarken kaufen, jetzt geht das nur noch über das Internet.

Kennt jemand noch den ECU?

Die Geschichte des Europäischen Parlaments beginnt bereits 1952 im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), einer der Vorgängerorganisationen der EU. Ursprünglich nur als ein weitgehend machtloses Kontrollorgan gegenüber der Hohen Behörde gedacht, hat sich das Parlament im Laufe der Zeit den Funktionen vergleichbarer, nationaler Parlamente annähern können und besitzt im Vergleich zu früher umfassende Rechte im politischen System der EU. Diese Rechte wurden im Zuge der EU-Vertragsreformen seit den 1980er-Jahren und durch verschiedene inter-institutionelle Vereinbarungen zwischen den Organen der EU schrittweise erweitert.

1957 wurden mit den Römischen Verträgen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) sowie die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) gegründet. Die Parlamentarische Versammlung der EGKS war jetzt für alle drei Gemeinschaften zuständig und wurde auf 142 Abgeordnete erweitert. Sie erhielt keine neuen Kompetenzen, gab sich aber trotzdem selbst den Namen Europäisches Parlament (der erst 1986 auch von den Einzelstaaten offiziell anerkannt wurde). Als die Europäischen Gemeinschaften 1971 eigene Finanzmittel erhielten, wurde die Versammlung an der Aufstellung und der Verabschiedung des Haushaltsplans beteiligt – allerdings nicht im Bereich der sogenannten „obligatorischen Ausgaben“, d.h. vor allem der Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik, die zu jener Zeit rund 90 % des Gesamtetats ausmachten. Diese begrenzten Kompetenzen des Parlaments wie auch ein in Deutschland verbreitetes Desinteresse führten in den siebziger Jahren zu Spottsprüchen wie „Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa“: Nach Meinung vieler deutscher Kommentatoren lag die Hauptfunktion des Europäischen Parlaments damals darin, Altpolitikern einen politisch unbedeutenden Versorgungsposten zu verschaffen. In anderen Ländern, etwa in Frankreich oder Italien, galt ein Mandat im Europäischen Parlament dagegen als Karrieresprungbrett für politische Talente.

Heute sitzen 720 Abgeordnete im Parlament, 96 davon aus Deutschland.

Also … wenn nicht gerade renoviert wird (das oben war ein Foto).

Im Anschluss an das Parlament wurde an solchen Aufstellern die Historie der Montanunion beschrieben, welche auch oft als „Keimzelle der Europäischen Union“ bezeichnet wird. Sie gab allen Mitgliedstaaten Zugang zu Kohle und Stahl, ohne Zoll zahlen zu müssen. Eine besondere Neuheit war die Gründung einer Hohen Behörde, die im Bereich der Montanindustrie, also der Kohle- und Stahlproduktion, gemeinsame Regelungen für alle Mitgliedstaaten treffen konnte. Die EGKS war damit die erste supranationale Organisation überhaupt und die Mitglieder der Hohen Behörde waren nicht mehr ihren Herkunftsländern, sondern dem Gemeinwohl verpflichtet. So wurde zum ersten Mal  in der Geschichte der Versuch unternommen, den mörderischen Wettbewerb zwischen den europäischen Nationalstaaten durch übernationale Strukturen zu beenden.

Spannend war, wie auch diese Idee ganz zu Beginn auf der Initiative und Überzeugungskraft weniger Personen beruhte. Die deutsche Medienlandschaft war von der Gründung dieser Union auf jeden Fall eher überrascht. Was sich auch darin zeigte, dass bei der Pressekonferenz zur Gründung fast keine Presse anwesend war, man hatte schlicht nicht damit gerechnet, dass das klappt.

Die Lage des Parlaments kann man auch als „hübsch“ bezeichnen, denn direkt neben dem Gebäude fließt die Ill.

Wir hatten etwas Hunger und da kam es gerade recht, dass eine klimatisierte Kantine offen war. Und es sogar ein unglaublich mittelmäßiges Bier gab während im Fernsehen die Tour de France zu sehen war.

Jens aß ein Sandwich, Meike gönnte sich eine Cola und einen Muffin.

Und dabei überlegten wir, was wir heute noch machen wollen. Und quatschen auch ein wenig über Europa und wie viele Dinge, die hier beraten und beschlossen wurden, für uns heute normal sind.

Hoffen wir, dass es noch lange so bleibt, denn gemeinsam ist man in der Regel stärker!

Uns ist dann nicht wirklich was eingefallen, was wir noch machen wollen. Und im Zweifelsfall wird dann die Untappd App angeworfen und geschaut, wo man vielleicht noch was leckeres zu trinken bekommen kann.

Fündig wurden wir in dieser Seitengasse, leider war das Lokal nicht wie die Craftbeer-Bar gestern, mit einer Klimaanlage ausgerüstet, weswegen es kein langer Aufenthalt werden sollte.

Aber für eine Charculterie reicht es dann doch noch.

Leicht geschwitzt und auch etwas müde machten wir uns dann auf ins Hotel. Um dort eine neue Folge von „Jet Lag: The Game“ zu schauen. Spannenderweise mit einer Folge aus Südkorea, wo diese Fertiggerichte eine Rolle spielen.

Es folgte die Vorbereitung auf das kulinarische Highlight der Reise. Aber das EU Parlament war auch ein Besuch wert gewesen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.