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Mit dem Boot einmal um die Grande Île

Samstag Morgen in Strasbourg – was kann es besseres geben als ein frisches Pain au Chocolat. Also mal davon abgesehen von den bereits 25 Grad und der hohen Luftfeuchtigkeit.

Gestern Abend hatten wir uns noch ein wenig über unsere Optionen unterhalten und uns für zwei Dinge entschieden. Vor Beginn der ersten hatten wir aber noch ein wenig Zeit, also spazierten wir einfach quer durch die Stadt über ein paar Märkte.

Gegen 10:30 Uhr gingen wir dann langsam zum Anleger der Batorama-Schiffe, die in der Nähe des Pont du Corbeau. Denn hier hatten wir eine einstündige Stadtrundfahrt gebucht, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn mit dem Boot sollte es einmal bis zur Barrage Vauban auf dem südlichen Arm der Ill und dann auf dem nördlichen Arm in Richtung EU Parlament. Und wieder zurück zum Ausgangsort. Die Boote kann man übrigens online aussuchen und sehen, ob es sich um ein Boot mit Dach oder ein „Cabrio-Boot“ handelt. Wir wollten, angesichts der Temperaturen und vor allem der Luftfeuchtigkeit, letzteres haben.

Das Boot war darüber hinaus auch angenehm leer, etwa 30 bis 40 Passagiere waren am Ende an Bord. Wir setzten uns an eine Seite und freuten uns, ein wenig mit Infos über Strasbourg berieselt zu werden und dabei einfach nur bequem zu sitzen. Kopfhörer wurden beim Einsteigen ausgeteilt und nachdem wir diese auch mit ein wenig Suchen einstöpseln konnten, ging es los.

Dabei gab es viele bereits bekannte Informationen aber auch einiges Neues. So zum Beispiel die Geschichte zur Brücke direkt an unserem Hotel, denn das Licht der Welt erblickte sie bereits im Jahre 1308 als hölzerne Schindbrücke. Diese Bezeichnung behielt sie bis ins Jahr 1770 bei, als man begann, ihre unrühmliche Vergangenheit unter den Teppich zu kehren. Die Ablösung als Pont de la Grande-Boucherie bzw. Pont des Bouchers in Anlehnung an den Schlachthof auf der linken Ill-Seite brachte der Brücke kaum mehr Sympathiepunkte. Zu humanistischen Ehren gelangte sie immerhin während der Französischen Revolution als Pont Rousseau zu Ehren des berühmten Schriftstellers der Aufklärung. 1816 wurde dann eine unverfänglicheren Namensgebung der Vorrang gegeben. Fortan trug die heutige Steinbrücke den Namen Pont du Corbeau oder Rabenbrücke. Denn je nach staatlicher Zugehörigkeit des Elsass zwischen 1871 und 1945 mussten sich nicht nur die Einwohner, sondern auch die Straßen, Brücken Plätze und Gebäude dem offiziellen Sprach- und Namenwechsel anpassen.

Im 14. Jahrhundert dagegen war die Schindbrücke ein schlimmer Ort. Die Rechtsprechung damals war gnadenlos und grausam. Öffentliche Demütigungen, Folterungen und Hinrichtungen gehörten zur Tagesordnung. Dabei zählten Kapitalverbrechen wie Mord oder Hochverrat zur Hohen Gerichtsbarkeit, die dafür die Todesstrafe vorsah. Das Urteil des zuständigen Blutrichters lautete in der Regel für die männlichen Delinquenten Tod durch Erhängen an einem Freitag, während die weiblichen Straftäterinnen samstags ertränkt wurden. Doch bei Kinder- oder Vatermördern wurde kein Unterschied gemacht. Zwischen 1411 und 1617 hieß in diesen Fällen das Verdikt Tod durch Ertränken. Der Henker, auch Schinder genannt, nähte die VerbrecherInnen in einen Leinensack ein und warf sie vom offiziellen städtischen Vollstreckungsort, der Schindbrücke, in die Ill.

Das Säcken war auch die bevorzugte Maßnahme, um die Schuld oder Unschuld von Hexen zu entlarven. Konnten sie sich unerwartet aus dem Sack befreien und ans Ufer retten, galt dies als deutlicher Beweis ihrer übernatürlichen Kräfte. Ertrank die in den Sack eingenähte Hexe in den Fluten, sprach sie dies zwar von jeglicher Schuld frei, doch tot war sie trotzdem. Dafür sicherte sie sich als Belohnung für die bestandene Prüfung die direkte Aufnahme ins Himmelreich. Ein vermutlich schwacher Trost für die Betroffene. Vielmehr sollte diese Annahme das schlechte Gewissen des Richters und Henkers beruhigen.

Apropos Henker. Der Scharfrichter hatte in Straßburg alle Hände voll zu tun. Anfang des 17. Jahrhunderts vollzog er in weniger als 20 Jahren etwa 150 Hinrichtungen. Eine ganze Menge Todesurteile für eine Stadt mit nur 32.000 Einwohnern.

Mit solchen Informationen bekommt man ja immer unsere Aufmerksamkeit und so schipperten wir gemütlich die Ill entlang.

Kurz bevor wir zur Drehbrücke in Petite France kamen, ging es noch in eine Schleuse. Wo die Sonne dann doch langsam auch ihre Wirkung zeigte. Vorne im Boot war ein Pärchen, was sich tatsächlich Regenjacken an- und die Kapuzen zum Schutz hochzogen. Keine Ahnung, was die glaubten, wie das auf dem Boot so ist.

Wir hatten uns mit Sonnencreme eingeschmiert und staunten daher ohne Regenjacke oder anderen Schutzmaßnahmen über die Häuser am Ufer der Ill.

Dann wurde die Drehbrücke erreicht. Spannend war, dass die beiden Herren hier vorher die Schleusenfahrt durchgeführt haben. Auch ein interessanter Beruf: Schleusen- und Drehbrücken-Controller!

An der Barrage drehte das Schiff dann bei und fuhr auf dem nördlichen Teil der Ill zurück.

Die Ill ist übrigens ein Zufluss des Rheins und hat eine Länge von knapp 217 Kilometern. Die Quelle der Ill liegt im Jura und der Verlauf führt den Fluss dann längs der Grenze zur Schweiz und weiter nach Strasbourg. Bis Anfang der 1970er Jahre mündete die Ill gegenüber dem Ort Diersheim in den Rhein. Wegen des Rheinaufstaus bei Gambsheim musste die Ill dann aber mit einem Kanal parallel zum Rhein verlängert werden und mündet jetzt bei Offendorf in den Rhein.

Die Sonne schien und wir schauten einfach links und rechts die Häuser an.

Hier trafen die beiden Arme der Ill wieder aufeinander und man kann von hier aus auch mit den Batorama-Booten bis zum EU Parlament fahren. Unser Weg führte aber zurück zum Ausgangspunkt. Dort stiegen wir aus und spazierten noch ein Stück am Fluss entlang.

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