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Restaurant Maaemo, Oslo (also 2/3 davon)

Was nun folgte war das geplante kulinarische Highlight des Urlaubs. Dafür gingen wir zurück ins Hotel, warfen uns in ein angemessenes Outfit und spazierten auf einer modernen Brücke über die Gleise der Station Oslo S in Richtung Hafen, genauer gesagt in den Stadtteil Oslobukta.

In diesem sehr modernen und schicken Wohnviertel befand sich unser Ziel: Das Restaurant Maaemo, in dem wir schon vor etwa anderthalb Monaten einen Tisch reserviert hatten und quasi den ganzen Urlaub darum herum organisiert hatten.

Wobei, so einfach war es dann auch wieder nicht, denn der Eingang war in einer Mail beschrieben, die leider im Spam-Ordner verschüttet wurde. Daher wussten wir nur was von einem „sehr dezenten Eingang“, was auf so ziemlich jede Tür des Gebäudes zutraf. Aber bei der zweiten Runde sahen wir dann etwas, was wie die Tür eines mit drei Michelin Sternen aussieht.

Und das Klingelschild bestätigte es dann auch: Hier waren wir richtig, hier würden wir uns gleich einem echten Erlebnis hingeben.

Am Eingang wurden wir direkt freundlich von einer der vielen Servicekräften empfangen und herein gebeten. Unsere Jacken wurden entgegen genommen und wir wurden eine Etage tiefer geführt, wo schon viele der anderen Gäste saßen und den Abend begannen.

Hier unten werden die ersten Grüße aus der Küche serviert und man kommt erst einmal bei einem Aperitif an.

Und der Aperitif war ein entsprechend guter: Das Haus Leclaire wurde 1878 in Avize gegründet und umfasst 6 Hektar Weinberge, von denen 60% in Avize, Cramant und Oger liegen, Terroirs, die als Grand Cru klassifiziert sind. Die restlichen 40% stammen aus Grauves, klassifiziert als Premier Cru und Chatillon-sur-Marne. Die Champagner verbringen mindestens 48 Monate auf der Hefe und haben eine gute Balance und Länge, sind terroirtypisch etwas kräftiger und sehr feinperlig.

Und ja, in dem Stile ging es dann weiter: Wir waren wie eine komische Mischung aus erfahrenen Gourmet-Esser, nerdigen Foodies und kleinen Kindern, die eine Überraschung nach der anderen serviert bekommen und sich darüber freuen.

Die Bedienungen merkten dies wohl auch relativ schnell, zumindest bekamen wir immer mehr Details als die Tische um uns herum erzählt. Ähnlich dem KOKS vor ein paar Monaten wurde hier übrigens auch „der Deutsche“ an unseren Tisch geschickt, wenn es sich anbot. In diesem Fall war es einer der Köche aus der Crew von Culinary Director Esben Holmboe Bang, der mit dem Maaemo im Jahre 2012 als erstes Restaurant Skandinaviens bei der ersten Bewertung durch den Guide gleich 2 Sterne erhielt. 2016 gab es dann den dritten Stern, gemeinsam mit dem Geranium in Kopenhagen war das Maaemo das erste skandinavische Restaurant mit dieser Auszeichnung.

Dann ging es aber an die Grüße, welche nach und nach an unseren kleinen Tisch in einer ruhigen Ecke gebracht wurden. Den Anfang machte ein Cracker mit einer sehr feinen Fischcreme, Schnittlauch und Rettich sowie Orangenschalen.

Schon alleine hier waren so viele Komponenten verbaut, dass wir uns sicherlich nicht alles hatten merken können. Aber wir fühlten uns gleich sehr wohl und glücklich. Und privilegiert so ein Genuss erleben zu können.

Danach gab es ein kleinen Brioche mit einer Platte aus Haselnuss und darauf Gänseleber-Creme und Trüffel. Dekadent und mit einem sehr spannenden Warm-Kalt-Spiel.

Das Maaemo hat übrigens auch einen der neuen grünen Sterne, welche eine besonders nachhaltige Küche auszeichnen, die versuchen in die Richtung „Zero Waste“ zu gehen und für die Gerichte ausschließlich biodynamische, organische oder wilde Zutaten aus der Region zu verwenden. Auch hier zeigt sich halt, wie vorneweg dieses Restaurant seit seiner Eröffnung 2010 geht.

Es folgte ein weiterer Textur-Gang, bei dem weiche und harte Texturen angenehm kombiniert wurden. Aromatisch waren auch die lokalen Wildkräuter obenauf sehr stimmig, die Cracker waren dagegen fast schon grob im Aroma. Aber auch hier machte die Kombination eben so viel Sinn, dass man merkte, wie viel Wissen und wie viel „Try and error“ hier eingeflossen sein müssen. Denn sowas denkt man sich nicht aus und es klappt beim ersten Mal.

Aktuell steht das Restaurant übrigens auf der Liste der „The World´s 50 best restaurants“ auf Platz 47. Und das zurecht, auch wenn solche Listen ja selten als einzige Wahrheit zu sehen sind. Aber auch Blogs und Empfehlungen zeigen, dass man hier, wenn man diese Art der Küche mag und sich auch leisten möchte, einfach eine der Top Adressen unserer Zeit ist.

Weiter ging der Reigen der Grüße mit einer super feinen Tartelette mit Krebsfleisch und geräuchertem Rogen vom Seehasen und einem Gelee dieses Rogen.

Nicht viele Komponenten hier, dafür aber ein sehr nach Meer, Jod, Salz und Algen schmeckendes Aroma, kombiniert mit vielen weichen und dennoch voneinander zu unterschiedenen Texturen. Und dazu die feine Tartelette … super!

Nach und nach wurden die Tische in den Speiseraum geführt und so wurde es auch langsam ruhiger hierunten. Wir konnten uns so dann auch auf den letzten Gruß konzentrieren, der mit Rettich, Gurke, Rogen und einer leicht nach Kokos schmeckenden Milch überraschend simpel daher kam. Zumindest vordergründig, denn die Milch alleine benötigt viele Schritte bei der Herstellung, die uns zwar erklärt wurden, die wir aber leider wieder vergessen haben.

Aber die Reihe der Amuse bouche war schon einmal aller Ehren Wert. Und so freuten wir uns noch um so mehr, als wir freundlich nach oben an unseren Tisch mit Blick auf die offene Küche gebeten wurden.

Die Teller sind handangefertigt von einem Hersteller aus London. Nachdem wir ja auch langsam zu „Geschirr-Nerds“ mutieren, haben wir auch hier Interesse gezeigt und die Adresse bekommen.

Man denkt ja manchmal, dass in dieser Art von Restaurant die Stimmung schwer und vornehm sein muss und das man hier nicht lacht. Und es gibt sicherlich auch Restaurants, in denen das so ist. Oder Gäste, die denken, dass dies so sein muss – auch neben uns war ein Tisch mit einem französischen Herren, dessen Art gerade Jens (der auf ihn blicken konnte / musste) ärgerte, da er seine Partnerin mehr oder wenig ignorierte und sich lieber mit dem französisch-sprechenden Personal in seiner Muttersprache unterhielt, die sie offenkundig nicht sprach.

Ach ja, so nach etwa 4 Gängen kam Chef Bang an den Tisch und fragt sie direkt, ob es in Ordnung wäre, wenn an ihrem Tisch auch französisch gesprochen werde. Diese Art von Gastgeber ist man eben hier auch und das fanden wir sehr gut.

Im Smalhans vor zwei Tagen hatten wir übrigens mit dem Besuch im Maaemo angegeben und haben dann erfahre, dass Freddie, die Dame die uns dort vorrangig mit Wein und Essen versorgt hatte, den Sommelier hier kennt. Und wir sollten ihn doch bitte von ihr Grüßen, was, wie wir dann später erfuhren nachdem wir die Grüße ausgerichtet haben, so eine Art „Running Gag“ zwischen den beiden ist. Denn umgekehrt wird auch gegrüßt.

Und von diesen kleinen Späßen, den kleinen Gesprächen, den Anekdoten und dem Humor lebt so ein Abend auch, denn hier geht es über die reine Nahrungsaufnahme weit, sehr weit hinaus.

Der erste Gang, den wir hier oben serviert bekamen, erinnerte uns sehr stark an das KOKS: Auster mit einem gelierten Austernwasser darauf, einem Sud wieder auf Milchbasis und mehreren Kräuterölen. Der Signature Dish des Maaemo.

Und das war schon eine echte Götterspeise, denn gerade das Spiel mit der Textur der klein geschnittenen Austern mit dem Gelee und dem Sud und die Kombination der Aromen waren einmalig gut!

Der nächste Gang kam dann puristischer um die Ecke: Ein einfach sehr, sehr gutes Stück Hecht in einem warmen Sud. Was so einfach klingt, ist in Wahrheit sehr komplex. Alleine die Zubereitung des Fisches dauert sehr lange, denn er wird dry-aged und vakuumiert noch etwas kompakter als man es erwartet. Gekocht wird er nur sehr, sehr kurz und dann direkt serviert.

Mit eines der besten Stücke Fisch, das wir in den letzten Jahren gegessen haben.

Der französische Sommelier packte dann einen seiner Lieblingsweinen aus und gestand, dass er es nur ungerne zugebe, aber die Spanier könnten ja auch ganz gute Weine produzieren.

Alleine getrunken, wir probieren ja Weine in der Regel auch ohne das dazu bestimmte Gericht, war dieser Wein schon hart an der Grenze, was Fehltöne / Naturwein-Aromen angeht. Zusammen mit dem Gericht war es aber klar, was die Idee von Küche und Service war, denn hier ging es um nicht weniger als die perfekte Ergänzung eines der besten Gänge unserer Gourmet-Reise bisher: Die beste Jakobsmuschel aller Zeiten!

Eine sagenhaft saftige und vollmundige, im inneren noch leicht rohe und trotzdem außen nicht trockene Muschel von sagenhafter Qualität. Dazu darunter ein Espuma aus Kürbis und noch ein paar weiteren Dingen, die uns beim Anblick der Glasur und den Schinken-Raspeln entfallen waren. Jedes Stück der kulinarische Himmel für uns.

Sagenhaft! Uns fehlen die Superlative hier, denn ab sofort muss sich jede Jakobsmuschel mit dieser hier messen lassen. Und uns fehlt die Fantasie, wie das hier noch verbessert werden könnte.

Tja … und das nächste Bild ist dann leider dieses hier.

Irgendwann, kurz bevor die Jakobsmuschel gebracht wurde, gab es einen großen „Klang“ aus Richtung eines offenen Kamins am Eingang zum Speiseraum. Chef Bang ging daraufhin auch zu dem besagten Kamin, schaute diesen kurz an und versuchte mit den Reglern etwas zu machen. Dies war dann wohl nicht erfolgreich genug, denn irgendwann merkte man, wie der Rauch aus dem Kamin und damit wohl auch bald der Rauch aus der offenen Küche im Raum verbreitete.

Und auf einmal hatten drei der Köche, die sich eigentlich gerade mit einem Gang an einem der Herde beschäftigten, Warnwesten an und nahmen Positionen an den Türen ein. An unseren Tisch trat ein sichtlich betrübter Sommelier und verkündete, dass es ein Problem mit der Lüftung gibt und das Restaurant jetzt evakuiert werden müsse.

Es ging raus, wir bekamen die Jacken und es ging vor die Tür. Mit uns verließen dann auch die Küche, die Servierkräfte und halt alle das Restaurant. Und im Hintergrund hörte man schon die ersten Autos der Feuerwehr anfahren.

Mit zwei Köchen unterhielten wir uns noch kurz, aber es war klar, dass das Essen hiermit zu Ende ist. Beim Rausgehen bekamen wir noch mitgeteilt, dass wir morgen Vormittag kontaktiert werden würden, was jetzt passiert.

Und damit war, was als eines der besten kulinarischen Erlebnisse unseres Lebens angefangen hatte, abrupt beendet. Beim Weggehen konnten wir noch die Drehleitern beobachten, die zum Rauch auf dem Dach empor stiegen.

Am nächsten Morgen wurden wir in der Tat dann kontaktiert und es hat sich herausgestellt, dass ein Kabelbrand auf dem Dach dafür verantwortlich war, dass die Ventilation im gesamten Gebäude ausgefallen ist. Was in Wohnungen jetzt nicht so schlimm ist, ist bei einer offenen Küche oder einem aktiven Kamin nun etwas anderes und insofern war es natürlich richtig, das Restaurant zu evakuieren. Uns wurde angeboten, dass wir im Dezember noch einmal wiederkommen können, was aber halt mit der Anreise nicht so einfach möglich ist.

Letztendlich haben wir eine direkte Kontaktadresse von der Leiterin der Reservierungs-Abteilung bekommen mit der Bitte, uns direkt an sie zu wenden, sollten wir wieder kommen. Am Ende wurde niemand verletzt, allen geht es gut und auch in dieser außergewöhnlichen Stresssituation zeigte sich die Professionalität und der Ehrgeiz der Mitarbeiter in diesem Restaurant. Ach ja, bezahlen mussten wir dann nichts und zu unserer Überraschung wurde uns auch das vorab bezahlte Geld zurück erstattet, obwohl wir darum gebeten haben, dies als Trinkgeld für die 2/3 des Menüs einzubehalten. Die Antwort war, dass wir Trinkgeld dann geben sollen, wenn wir zurück kommen.

Was wir tun werden, so es uns denn möglich ist – denn das war nicht weniger als eines der besten Gourmet-Essen unseres Lebens. Und wir hatten schon die Wachteln gesehen, die eigentlich noch kommen sollten, gespickt mit Kräutern, schön gebratener Haut, … – die wollen wir noch haben!

OK, was nu? Hunger hatten wir halt keinen mehr und selbst wenn hätte jetzt alles nur den Abend kulinarisch verderben können. Also was Trinken und da wir keine Lust auf ein großes Herumspazieren hatten, sind wir kurzerhand in die Hotelbar im 35. Stock des Radisson Hotels gegangen. Wo am Anfang eine komische Mischung aus Touristen und Geschäftsreisenden auf die zwei Barkeeper traf.

Gute Miene zum bösen Spiel, aber dafür auch mit Aussicht!

Uns so saßen wir hier noch was, tranken das eine Bier oder den anderen Cocktail und spielten was Kniffel und Backgammon auf dem Tablet.

Und so endete der Gourmet-Abend in einer Hotelbar mit ein paar Spielen auf einem Tablet. War nicht so gedacht und auch einerseits schade. Andererseits haben wir so eine Art offenes Ende hier in Oslo, was ein ziemlich starker Grund ist hierhin zurück zu kehren.

Danke auf jeden Fall an das ganze Team im Maaemo: Ihr habt hier auf so vielen Ebenen geglänzt, die normalerweise versteckt bleiben, weil sie einfach nicht nötig sind. Essen, Service, Ambiente, Kreativität und auch der Umgang mit dieser Stresssituation waren eine glatte 1. Danke!

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