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Restaurant Essigbrätlein Nürnberg

Für den heutigen Abend haben wir für uns einen Tisch in einer wahren Institution der deutschen Gastro-Szene gesichert: Dem Essigbrätlein in Nürnberg.

Von Außen ist nicht wirklich sichtbar, dass sich hier in einem historischen Gebäude im Nord-Westen der Nürnberger Altstadt ein Gourmet-Tempel der Extra-Klasse befindet.

2 Michelin Sterne, 18 Punkte im GaultMillau und die seit Jahren stabil sprechen eine deutliche Sprache. Die beiden Köche Yves Ollech und Andree Köthe, auch eine Besonderheit so eine Doppelspitze in der Küche, zaubern hier eine Gewürz- und Gemüseküche vom Allerfeinsten auf die Teller. Und wir freuten uns ein Loch in den Bauch, dies mal zu erleben.

Der Gastraum ist sehr eng und urig eingerichtet. Abstand war möglich, wenn auch die Lautstärke rasch ins Bistro-hafte stieg. Dazu aber später mehr.

Nachdem wir uns hingesetzt hatten und unsere übliche Bestellung (Menu + Weinbegleitung) übermittelt hatten, ging es direkt mit diversen Grüßen aus der Küche los. Alle Gänge wurden übrigens von den Köchen gebracht und erklärt.

Erster Gruß: Eingelegte Selleriestreifen und Dill mit einem Selleriesud dabei. Erfrischend, schlicht aber dennoch einiges zu entdecken.

Dann ein Tomatensud von lange eingelegten Tomaten – mehr Details konnten wir uns leider nicht merken. Die Küche hier arbeitet sehr stark mit Fermentieren, Einlegen, Dehydrieren und anderen Techniken – alles wurde uns genau erklärt und nur unsere mangelnde Fähigkeit sich alles zu behalten verhindert eine angemessene Wiedergabe hier.

Rettich, Sud und Beeren – auch hier haben wir nicht mehr viel Erinnerung an die einzelnen Komponenten.

Beim letzten Gruß wissen wir aber noch was das genau ist: Ein Nach-Trieb vom Rotkohl. Also das, was beim Rotkohl weiter wächst nachdem man ihn geerntet hat. Der sehr knackige, kleine Rotkohl wurde mit Himbeersaft glasiert und darauf noch ein Pulver von getrockneten, fermentierten Himbeeren gegeben.

Genau so etwas ist der Grund, warum dieses Restaurant so bekannt ist. Und wir waren jetzt schon restlos begeistert ob der Kreativität, der herausragenden Technik und der einfach klingenden Kombinationen. Auf die wir nie, nie, nie gekommen wären.

Das gedämpfte Brot mit Paprika-Butter schloss die beeindruckende Serie von Amuse-Bouche ab.

Und auf geht es zu „Gurke mit Kerbelsaft“. Klingt einfach, ist es aber nicht. Die Gurken wurden dehydriert und mit Zitronenabrieb und Kümmelbutter angerichtet. Dazu gibt es einen Kerbelsaft sowie unter den Gurken eine Creme aus Duftreis mit Wacholder abgeschmeckt.

Die Konsistenz der Gurke war wahnsinnig gut und die anderen Komponenten brachten ein unglaublich rundes Aroma im Mund zusammen. Der Knaller!

Weiter mit dem Saibling – einer unserer Lieblingsfische. Hier dezent mit Essigkräutern eingelegt auf Bohnen.

Zum Niederknien! Die Kräuter sehr bedacht eingesetzt, nix wirkt überwürzt oder zu dezent.

Dann der Gang „Brokkoli“ Oder, wie es Homer Simpson nennt „Die Bäume des Teufels“. Homer würde das aber nicht sagen, wenn er das hier essen könnte: Sud und Brokkoli in verschiedenen Darreichungsformen – sehr schön kombiniert. Und für uns waren die stark angeflemmten Streifen vom Brokkoli das Highlight.

Es fühlt sich halt immer so einfach an beziehungsweise es liest sich so einfach. Aber was dann an verschiedenen Texturen, Geschmäcken und anderen Eindrücken da auf einen einprasselt ist halt nur schwer mit Worten zu beschreiben.

Beim nächsten Gang „Gemüse ohne Minze“ gab Yves Ollich zu, dass der verwendete Wortwitz nicht der aller-beste ist. Denn es gab … Minze!

Die Idee: Vor dem eigentlich Gericht, was dann eben ohne Minze serviert wird, gibt es ein Minzblatt, um den Mundraum zu pafümieren. Und das klappt in der Tag – mit frischem Atem erwarteten wir dann das Gemüse:  Fenchel, Zwiebeln, Kohlrabi und Bohnen. Dazu eine Creme aus fermentierten Erbsen.

Wieder: Einfach in der Auflistung der Zutaten, kompliziert in der Zubereitung, fantastisch im Geschmack.

Wir waren jetzt leider schon beim „Palate cleanser“ zum Hautptgang hin: Ein kleiner Teller mit Sellerie und einer Creme, die unseren Mund auf das gegrillte Lamm vorbereiten sollte.

An dieser Stelle ein Wort zum Gastraum bzw. den Gästen. Wie schon erwähnt ist das Restaurant traditionell und sehr gemütlich eingerichtet. Natürlich auf sehr hohem Niveau. Und die Sterne bzw. diese Exklusivität lockt halt verschiedene Leute an, darunter Foodies wie uns, Menschen die was besonderes feiern wollen oder eben auch die Reichen und Schönen. Bei letzteren haben wir oft das Gefühl, dass Benehmen und Rücksichtnahme irgendwo in der persönlichen Lebensgeschichte operativ entfernt wurden. Solche Exemplare hatten wir auch an diesem Abend wieder und durch die Enge konnte man das halt auch unmöglich ausblenden.

Im Nachhinein haben wir erfahren, dass einer der nervigen, ungehobelten und störenden Personen der Familie eines bekannten fränkischen Versandhauses angehört. Gut, dass wir da nicht bestellen. Und mit einer abgeschnittenen Jeans in so ein Restaurant gehen und dabei die Lautstärke und Wortwahl eines besoffenen Bauarbeiters an den Tag zu legen geht gar nicht. Genauso wenig, wenn sich Paare gegenseitig ablecken wie die Darsteller in einer Daily Soap. Sommelier Ivan Jakir versuchte zwar immer gute Miene zum bösen Spiel zu machen, aber der Tisch störte im Grunde genommen alle anderen beim Erlebnis. Schade sowas, aber Gäste kann man sich halt nicht aussuchen.

Symptomatisch, dass der gesamte Gastraum – also wirklich alle Tische – erleichtert aufschnaubten, als die besagte Gesellschaft (teilweise ohne Masken zu tragen, trotz Aufforderung) das Restaurant verließen. Und der eine oder andere lachte sogar, als man hörte, dass einer draußen über irgendwas gestolpert ist.

Wir hatten bis dahin aber noch etwas anderes, um uns abzulenken: Den Hauptgang!

Gegrilltes Lamm mit Gemüse. Der Hammer! So ein Lamm würden wir uns als Henkersmahlzeit bestellen – das geht nicht mehr besser. Und es war auch ein wirklich großes Stück, perfekt gegrillt mit schönen Grillstreifen.

Einer der Nachbartische (nicht der laute und nervige, den man auf dem nächsten Foto über Meikes Schulter sehen kann) fragt beim Maitre an, ob in der Küche noch etwas vom Saibling übrig wäre. Man würde dann der Küche das Wegwerfen ersparen.

Davon inspiriert meine Meike mehr so aus Spaß, ob sie nicht den Nachtisch gegen eine erneute Portion Lamm eintauschen könne.

Sommelier Ivan Jakir lächelte freundlich und ging weg. Und kam mit den Worten „Austauschen machen wir nicht, aber wir hätten hier noch ein Lamm extra …“ sowie einer erneuten Portion zurück. Was Meike … sehr froh stimmte!

Jens war zuerst verdutzt und dann auf sich selber sauer, dass er nicht auf die Idee gekommen ist. Das hielt aber nur kurz an, denn er bekam anstelle des Lamms noch vom vorzüglichen 2014 Zinfandel Cuvee „Geyserville“ vom Weingut Ridge in Kalifornien eingeschenkt. Und satt wurden wir eh.

Dann war Nachtisch-Zeit. Aktuell scheint der Trend weg von den süßen, schokoladigen Nachtisch-Kreationen zu gehen – hier auch passend zu der Kräuter-Küche des Essigbrätleins.

Es gab Kartoffeleis mit Kräutern, dazu eine wunderbare Auslese aus Franken.

Und da inzwischen auch relative Ruhe eingekehrt ist, konnten wir zum Digestiv noch die bekannten Schokoladenkreationen als Petis Fours (mit Nüssen, Himbeerpulver, Cranberries und Minz-Cree) genießen.

Gemeinsames Schicksal eint die Menschen ja – also wurde es danach noch etwas länger. Mit dem Tisch auf dem Foto gegenüber quatschten wir dann noch eine Weile über gutes Essen, Schottland und tranken dabei Whisky. Und wie so oft waren wir mit die letzten die das Restaurant dann verließen.

Fazit: Bislang eines der besten Essen, dass wir auf dem Niveau „Gourmet-Restaurant“ genossen haben. Arrangements, Techniken, Produkte – alles wunderbar. Eine sehr feine Weinbegleitung und die sympathische Bedienung umsorgten uns den ganzen Abend hindurch. Und jeder Gang wurde ruhig und freundlich mit einem dezenten Humor von den beiden Köchen erklärt. Wie gesagt: Für die Gäste kann ein Restaurant nur wenig, aber das war tatsächlich das einzige, was uns nachhaltig gestört hat.

Beeindruckend!

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