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Ein Spaziergang durch Ilulissat

Nach dem bereits sehr schönen Vormittag hatte uns Anders, der von Topas Travel unsere Reise organisiert hatte, einen „Lernt doch mal was über Ilulissat“-Programmpunkt eingebaut. Es sollte also ein Rundgang durch die Gemeinde werden, der um 15 Uhr starten sollte. Von der Walbeobachtung waren wir im Zentrum abgesetzte worden, was eigentlich nichts anders als: „Die größte Kreuzung im Ort und damit der Gegend“ bedeutet.

Unsere kindlichen Hirne kommen übrigens sowas von nicht darauf klar, dass es hier Namen wie „Pissifik“ gibt … 😉

Da noch etwas Zeit war, sind wir zu Fuß zurück zum Hotel gegangen, denn für den Spaziergang wollten wir aus den Outdoor-Klamotten raus. Also ging es auf einem kleinen Umweg zum Hotel.

Die Fenster- bzw. Balkon-Deko ist hier halt was anders …

Hin und wieder flogen auch diese kleinen, Propeller-betriebenen Schuhkartons von Air Greenland über uns hinweg.

Im Hotel haben wir uns dann kurz frisch gemacht und sind dann wieder in die Stadt. Dort, an besagter Kreuzung, war das Büro von Disko Line, bei denen wir unsere Tour gebucht hatten und vor dem wir uns treffen sollten.

Unser Guide kam auch dann aus dem Büro raus und hatte noch eine neue Angestellte mit dabei, die die Inhalte der Stadtführung kennenlernen sollte, um dies in Zukunft selber machen zu können. Das Verhältnis „Angestellte zu Kunde“ war hier also 1:1, denn weitere Gäste gab es nicht auf dieser Tour. Sehr cool, denn so war es quasi eine private Tour und wir konnten uns sehr viel und sehr angenehm mit den beiden unterhalten.

Erster Halt war, neben der etwas überheblich als „Fußgängerzone“ betitelten Einkaufsstraße mit 3 (!) Geschäften, eine kleine Werkstatt. In dieser können lokale Handwerker traditionelle Totems oder andere Dinge herstellen und verkaufen sie direkt selber. Das spart den Zwischenhändler und bietet den Handwerkern die Möglichkeit eigenverantwortlich etwas dazu zu verdienen.

Die „H7“ auf dem Dach stammte übrigens noch aus der Zeit des 2. Weltkrieges. Grönland gehörte noch zu Dänemark, was aber von Deutschland besetzt war. Die Amerikaner übernahmen dann die Aufgabe die Siedlungen Grönlands zu versorgen, da dies von den Dänen eben nicht mehr gesichert werden konnte. Außerdem konnten so die Amis hier Stückpunkte errichten, um ihrerseits die Deutschen zu besiegen.

Da allerdings keine Ortskenntnis vorhanden war, mussten sich die Piloten irgendwie orientieren, wo sie gerade sind. Und dazu dienten diese Hinweise, denn „H7“ war auf der Karte eben Ilulissat. H8 war das Walfang-Dorf weiter nördlich und so weiter. In den meisten Siedlungen kann man dies noch finden.

Wir sind dann noch kurz in den Laden rein, allerdings ohne was zu kaufen. Die meisten Dinge, wie zum Beispiel Narwale, darf man sowieso nicht ausführen.

Nächster Programmpunkt war der Hafen, welcher einer der aktivsten Grönlands ist. Die Fischerei hat immer noch eine hohe Bedeutung, was man auch am Gewusel erkennen konnte.

Am Hafen waren natürlich auch die wichtigsten bzw. ältesten Gebäude, die von den Vorstehern bzw. den Repräsentaten der dänischen Krone bewohnt wurden. Zwischenzeitlich waren dies auch Warenhäuser oder Lagerstätten, wer hier nicht pragmatisch ist, überlebt nicht lange.

Am Hafen selber versuchten wir vor allem nicht im Weg zu stehen und den Geschichten unserer Guides zu lauschen, die von den ungeschriebenen Gesetzen bei den Liegeplätzen erzählten und davon, dass so ziemlich jeder hier ein Boot hat und kribbelig wird, wenn man nicht mindestens einmal die Woche raus auf das Meer fährt.

Hier gab es auch eine Tanke. Und die Preise sind erstaunlich günstig, weil bereits seit mehreren Jahren stabil. In Grönland ist es so, dass einmal für das ganze Land eingekauft wird (es gibt mehrere Tanklager im Land) und es dann Gesetz ist, dass das Benzin zum Einkaufspreis weiterverkauft werden muss. Das bedeutet: Man zahlt heute noch den Preis, der vor 3 Jahren gezahlt wurde.

4,55 Kronen pro Liter sind … 60 Cents!

Irgendwann die nächsten Monate soll aber nachgekauft werden müssen und dann werden die Preise steigen. Ein großes Thema, gerade für diejenigen, die oft oder aus beruflichen Gründen mit dem Boot fahren müssen.

Und so spazierten wir durch die Stadt, hielten hier mal an und da mal an und bekamen so unglaublich viel Input, dass wir sicherlich 80% vergessen haben.

Nicht vergessen haben wir die Tatsache, dass die meisten Geschäfte in Grönland zu globalen Ketten gehören, aber oft ihren Namen und das Logo verändert haben. Die italienische Kette „Netto“ mit dem schwarzen Hund, der ein Einkaufskorb in seinem Mund trägt, wurde auf jeden Fall sehr passend angepasst.

Zur Feuerwehr gab es auch eine Geschichte, denn in Ilulissat ist offenes Feuer verboten bzw. musste angekündigt werden.

Die neuen Guides wollten einmal ein Feuer mit ein paar Euro-Paletten machen, um sich bei einer Feier auf offenem Feld aufzuwärmen. Alleine das war beim Wind und den Temperaturen schon ein Akt, der ziemlich lange gedauert hatte. Als das Feuer aber dann einmal brannte, hatte das zur Folge, dass auf einmal die Feuerwehr da stand und das mühsam entzündete Feuer direkt wieder löschte. Und die Leute ermahnte, dass der nächste Verstoß mehrere tausend Euro (!) kosten würde.

Offenes Feuer ist bei vielen Holzhäusern aber auch echt keine gute Idee …

Während der ganzen Führung und auch schon vorher hatte man immer so das Gefühl, dass die Dänen hier mindestens mal ambivalent betrachtet werden. Was auch nur verständlich ist, da sie sich hier als Herrscher und Besetzer aufgespielt hatten und bis in die 80er Jahre sogar Zwangsumsiedlungen und Zwangssterilisationen vorgenommen haben.

Um so erstaunlicher, dass es hier ein Denkmal für einen Dänen gibt, der sogar „Sohn Grönlands“ genannt wird, nämlich für Knud Rasmussen.

Knud Rasmussen wurde in Ilulissat 1879 geboren und war der Sohn eines dänischen Missionars sowie einer Inuit Mutter. Er wuchs in Grönland auf und wurde stark von der ihn umgebenden Kultur geprägt. So heißt es, dass er ein ausgezeichneter Hundeschlittenführer war und man nannte ihn auf grönländisch Kununguak („Kleiner Knud“).

Im Alter von 12 Jahren wurde er nach Dänemark zur Schule geschickt, aber Grönland fehlte ihm immer. Er schloss die Schule ab und fing mit einem Studium an, brachte es aber nicht zu Ende. Stattdessen reiste er nach Island und Schweden, wo er seinem Interesse an den arktischen Kulturen noch weiter frönen konnte.

Zwischen 1902 und 1906 reise er mehrfach in den entlegenen und noch nicht erforschten Norden Grönlands, unter anderem um auch entfernte Siedlungen mit Lebensmitteln zu versorgen. In einer solchen Siedlung lebte er dann auch 2 Jahre.

In den weiteren Jahren bereiste er die ganze Küste und das Inland und versuchte am dänischen Hof für eine Kolonialisierung Nordgrönlands zu werben. Daneben brach er immer wieder auf Expiditionen auf, bei denen er zum Beispiel 1913 als einer der ersten Menschen Bruchstücke eines Meteoriten fand. Nachdem er im nördlichen Thule eine Forschungsstation aufgebaut hatte, brach er von dort mehrfach auf Forschungsreisen auf, die sogenannten „Thule-Expeditionen“, die hier oben viele kennen.

Von besonderer Bedeutung war die 5. Thule-Expedition von 1921 bis 1924, bei der er mit seinen Mit-Teilnehmern versuchte, die Herkunft der Inuit aufzuklären. Die Expedition reise mit Hundeschlitten ins das heutige Kanada und Rasmussen brach von dort aus 1923 auf die längste Hundeschlittenreise in der Geschichte der Artikforschung auf, die in bis nach Nome in Alaska führte. Mit der Expedition hatte Knud Rasmussen sein selbst gestecktes Lebensziel erfüllt.

Bei der letzten Thule-Expedition 1933 erlitt er eine Fleischvergiftung an der er letztendich im Alter von 54 Jahren verstarb.

Hier oben ist er sehr bekannt, nicht zuletzt weil sein vorsichtiger Ansatz von den Inuit zu lernen und sie nicht zu bevormunden großen Respekt zeigte, der wohl damals eher seltener war.

Und er hat viele Geschichten aufgeschrieben, die heutzutage für die Unterrichtung von jungen Inuits genutzt werden, da sie sonst nur mündlich weitergegeben worden und durch die Umsiedlung viel verloren ging.

Nach dieser Geschichtsstunde etwas profanes: Dies ist ein Käfig für Menschen!

Das kommt noch aus der Zeit, wo die Schlittenhunde hier frei herumlaufen durften und es zu mehreren, teils tödlichen Unfällen mit Kindern kam. Daher hat man, damit die Kinder sicher spielen können, diese Käfige erbaut.

Und noch moderner war dann dieser Anblick von mit Asbest verseuchten Häusern, die aus Kostengründen nicht abgebaut werden können. Was tragisch ist, denn die Stadt wächst sehr schnell und Wohnraum ist knapp.

Hier wurden wir auf „das Krankenhaus mit dem besten Blick der Welt“ aufmerksam gemacht. Ob die Menschen hier schneller gesund werden wegen des Ausblicks oder sich mehr Zeit mit ihrer Genesung lassen wegen des Ausblicks, wird noch diskutiert.

Runter zum Hafen, wo sowohl der Ruderverein als auch die älteste Kirche des Dorfes besichtigt wurde.

Die Kirche allerdings nur von außen, denn sie ist nur zum Gottesdienst geöffnet und auch dann werden Fremde eher kritisch gesehen. Dies liegt vor allem an den dänischen Besuchern, die bei einem auf Grönländisch gehaltenen Gottesdienst gerne frustriert sind und dies auch laut und eher weniger respektvoll aussprechen.

Letzter offizieller Programmpunkt war das Stadtmuseum.

Vor dem Museum ein Beispiel einer Wal-Presse.

Mit diesen Dingern wurde das Walfett aus den Tieren gepresst, was zu Beginn der Kolonialisierung hier oben der Exportschlager schlechthin war. Das Walfett wurde nämlich überall für die Straßenbeleuchtung eingesetzt und brachte den ersten Reichtum hier oben. Mit allen Konsequenzen, die so etwas eben mit sich bringt.

Damit endete eine höchst unterhaltsame Tour, wobei wir am Ende noch einige Meinungen und Geschichten aus sehr persönlicher Sicht austauschten. Gerade wie die Dänen (und unser Guide ist Däne!) teils heute noch mit den Grönländern umgehen, ist schon traurig und erinnerte uns etwas an die Inder in Bhutan. Teils tuen sich aber auch die Inuit mit der Emanzipierung schwer, denn beispielsweise das Konzept mit „Um 8 Uhr mit dem Arbeiten anfangen“ ist völlig unbekannt. Genauso kann es sein, wenn ein Seehund oder ein anderes, zu jagendes Tier gesichtet wird, dass alle hier ihre Arbeit stehen lassen und zu ihren Booten hetzen. „War schon immer so“ ist dann das Argument, was man zu hören bekommt.

Es liegt noch ein langer Weg hier vor den Grönländern und wir sind uns sehr unsicher, wie sich das hier verändern wird in den nächsten Jahren. Und wohin.

Wir sind aber im Hier und Jetzt und da wollten wir kurz was verschnaufen. Und wo geht das besser als in einem Cafe/Bar/Brasserie/Kneipe/Abends-eine-Disco-Dingens.

Wie gesagt, pragmatisch muss man hier sein.

Zwei lokal gebraute Biere und eine Portion Nachos (mit Salsa, Guacamole und Aioli???) später, hatten wir einen Plan für den Abend.

Da wird nicht jeden Abend in unserem Hotel-Restaurant zu Abend essen wollten, hatten wir im Vorfeld nach Alternativen gefragt und gesucht. Und eine davon wollten wir heute besuchen: Das Hotel-Restaurant „Hvide Falk“.

Das Hotel ist das älteste im Ort, was man bis zur ersten (!) Renovierung vor ein paar Jahren wohl auch gemerkt hat. Das Erdgeschoss und der erste Stock sind jetzt aber sehr neu, was man auch merken sollte. Bis zum Abendessen dann aber noch was Unterhaltung in Form von Eisbergen.

Man kann sich ja fast nicht satt sehen an den Dingern.

Dann waren wir aber Hungrig und fanden uns im sehr modern eingerichteten Restaurant ein.

Und das Essen war sehr gut – was ebenfalls für den Service galt. Jakobsmuscheln mit Artischocken-Chips.

Heilbutt mit Fenchel, Angelica-Crackern und Sauce.

Hauptgang bei Jens war eine einfache Sache, denn er lebt nach dem Motto „Kein Tag ohne Tartar vom Moschusochsen“!

Dazu hervorragende Pommes! Allerdings schon wieder mit Aioli, warum das hier auch immer so beliebt ist …

Meike gönnte sich einen Rentier-Burger.

Und dann war auch unser erster voller Tag in Grönland vorbei.

Na gut, fast jedenfalls. Denn ein Bier und ein paar Eisberge gehen immer.

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