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Kirchen, Kirchen und noch mehr Kirchen

Achtung – absolute Überlänge! Und das mit Recht!

Sehr, sehr früh wurden wir von unserem Wecker geweckt. Den wir aus einem guten Grund gestellt hatten, denn heute stand die ersten von zwei im Voraus gebuchten Touren auf dem Programm. Und eine, welche nicht so oft gebucht wird, denn es geht heute zu den schwarzen Holzkirchen.

Nach einem kurzen Frühstück ging es zum Eingang des Hotels, wo wir von einem bärtigen Herrn angesprochen wurden, ob wir nicht eine Tour gebucht hätten. Es stellte sich dann schnell raus, dass es sich hier um Maciej handelte, der heute unser Guide sein sollte und mit dem Jens die letzten Tage per WhatsApp die Tour abgestimmt hatte. Maciej führte uns zum bereitstehenden Kleinbus, wo wir auf der hinteren Reihe Platz nehmen konnten. Schon vorab wurden wir informiert, dass noch ein weiteres Paar an dieser Tour teilnehmen würde, wodurch sich aber auch der Preis etwas verringern würde. Uns nur recht, solange es nicht wieder so unangenehme Amerikaner werden würde. Oder Chinesen. Oder … Deutsche!

Nach 10 Minuten Fahrt hielten wir in der Altstadt Krakaus vor einem Apartment und es traten Richard und Chris in den Bus ein. Zwei Amerikaner. Aber recht umgängliche, wie sich im Laufe des Tages herausstellen sollte.

Mit dem Bus ging es dann über die Schnellstraße hinaus in Richtung der Woidwodschaft Kleinpolen, wo wir heute den Tag verbringen würden.

Denn hier finden sich viele Holzkirchen von denen sechs in 2003 in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen wurden. Sie gehören zu den am besten erhaltenen und ältesten gotischen Holzkirchen, die für Region typisch sind. Die Kirchen sind ein einzigartiges Beispiel für die Tradition mittelalterlicher Holzkirchen in der römisch-katholischen Kirche. Sie wurden mit der im Mittelalter in Osteuropa üblichen Blockbohlenbauweise errichtet. Das Spektrum der bei ihrer Konstruktion verwendeten Zimmermannstechnik macht sie einzigartig. Außerdem sind einige von ihnen so gut erhalten, dass man noch die original Malereien aus dem 15. Jahrhundert sehen kann.

Da diese doch etwas weiter weg von den touristischen Zentren liegen, kommt man nicht so einfach dort hin. Ein Tagesausflug muss es schon sein und die meiste Zeit befindet man sich auf engen Landstraßen und durchfährt kleinere Orte.

Auch deswegen machte Maciej kurz nachdem wir die Autobahn verlassen haben einen kleinen Zwischenhalt und meinte, dass wir uns hier noch mit Getränken und Snacks eindecken sollten. Und das dies hier die vorerst letzte Option für eine Toilette wäre.

Letzteres brauchten wir nicht, stattdessen bewunderten wir die verschiedenen Möglichkeiten Wodka abzufüllen.

Nach einer weiteren Stunde während der Maciej uns immer wieder kleinere Details über die Region, die Menschen (er selbst wohnte auch mal hier) und die Geschichte erzählte, kamen wir am ersten Halt an: Die Lipnica Dolna oder auch Leonardskirche in Lipnica Murowana.

Die Kirche wurde Ende des 15. Jahrhunderts anstelle einer älteren Kirche aus dem 12. Jahrhundert erbaut. Die Wandmalereien stammen aus dem späten 15. Jahrhundert. Die drei gotischen Altäre stammen aus dem 16. Jahrhundert, 1510 und 1530. In der Kirche befinden sich jetzt Kopien, nachdem die Originale in das Diözesanmuseum in Tarnów gebracht worden sind. 1689 und 1711 wurde das Presbyterium ausgemalt. Die Kirche wurde während der Jahrhundertflut 1997 in Mitleidenschaft gezogen und danach grundlegend restauriert.

Und wir hatten sie mehr oder weniger für uns 5 alleine.

Innen sah es sehr, sehr alt aus. Tatsächlich stammen einige der Malereien noch aus dem 15. Jahrhundert und man konnte nicht anders als ehrfürchtig davor zu stehen und zu staunen.

Etwas, was wir an diesem Tag häufiger sehen sollten, waren die Darstellung von Bibelstellen. Da man früher nicht lesen konnte, sollten so die Geschichte und vor allem die Gebote der Religion den Gläubigen nahegebracht werden.

Der Eingang war auch speziell: Beim Eintreten muss man sich bücken und tritt so mit Demut in die Kirche ein. „Eselstor“ nennt man das hier wohl auch.

An einigen Malereien konnte man auch erkennen, dass diese quasi neuwertig waren.

Und so spazierten wir in der und um die Kirche herum. Die Stille war passend und wir sogen einfach die Atmosphäre ein.

Eine kurze Fahrt später: Die nächste Kirche. So würde es auch mehr oder weniger den ganzen Tag werden, was erst einmal langweiliger und vor allem langwieriger klingt als es am Ende war.

Die nächste Kirche war die „Parafia św. Mikołaja w Tymowej“, die Pfarrei von Tymowej. Ein spontaner Halt (auch das sollte nicht der letzte sein), da sie wohl nicht so oft offen ist. Aber innen schön anzusehen ist.

Für Meike interessant: Hier gab es sogar eine echte Orgel!

Dann ging es weiter mit dem Programm: Nächster Stop war die Kirche der Heimsuchung Mariä in Iwkowa, ebenfalls eine spätgotische Holzkirche aus dem 15. Jahrhundert in Iwkowa.

Auch hier gab es wieder Malereien aus dem 16. Jahrhundert, die Kopie eines gotischen Glasfensters aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts und – das war das spannende – eine Polychromie der Passion Christi. Wieder mit dem Ziel der Landbevölkerung die Bibel näher zu bringen ohne ihnen Lesen beibringen zu müssen.

Spannend was das kleine Loch neben dem Altar, welches für zu spät kommende Gläubige verwendet wurde, damit diese in angemessener gebückter Haltung trotzdem der Messe lauschen konnten.

Wieder ein kleiner Sprung mit dem Auto in die kleine Ortschaft Czchow. Hier steht eine neuere Kirche, die nicht so besonders interessant war. Zumindest im Gegensatz zu den anderen, die wir heute gesehen haben und noch sehen werden.

Stattdessen konnten wir von hier aus den Blick auf eine nahe Burg Czchów werfen, die über dem Ort thront.

Hier gingen Chris und Richard noch kurz in eine Metzgerei, um dort auf Anraten von Maciej ein paar geräucherte Würste zu kaufen. Mit dem Ergebnis das der Bus den Rest des Tages nach Wurst riechen würde. Na gut, gibt schlimmeres.

Die Prozedur wiederholte sich: Einsteigen, kurz fahren und dabei etwas über die nächste Kirche hören oder andere Anekdoten, aussteigen und Kirche anschauen. Diesmal verbunden mit einem kleinen Fußweg.

Die St. Andreas Kirche in Roznowice, etwas neuer (1756 erbaut), trotzdem sehenswert.

Die schwarze Verfärbung deutet tatsächlich auf ein ernstes Problem hin, denn das durch den Klimawandel immer feuchter werdende Wetter setzt der Holverkleidung immer mehr zu. Früher gab es zwar viel mehr Schnee (zu erkennen an den sehr schrägen Dächern damit der Schnee gut abgleitet) aber dafür gab es weniger Luftfeuchtigkeit.

Daher sind die Holzkirchen generell aufwendig zu bewahren. Also: Alle hin und anschauen, denn auch das unterstützt die Erhaltung dieses Kulturerbes!

Apropos Schnee: Wir merkten langsam, dass wir in immer schneereichere Regionen kamen, denn die Architektur wurde immer „alpiner“ in einem gewissen Sinne.

Nächster Halt, nächste Kirche: Die Erzengel-Michael-Kirche in Binarowa.

Ein Dokument von 1415 deutete schon darauf hin, dass hier eine Kirche stand. Die heutige Kirche wurde um 1500 erbaut, wobei das genaue Datum der Kirchenweihe unbekannt ist. In den Jahren 1512 bis ungefähr 1540 war der örtliche Priester Marcin Beier, der 1522 als erster in Polen-Litauen angeklagt wurde, weil er sich den Lehren der lutherischen Reformation angeschlossen hatte.

Die Kirche ist aus Tannenholz gefertigt wobei die einzelnen Teile ohne Nägel, sondern nur durch sogenannte Kammverbindungen miteinander verbunden wurden.

Und innen wieder diese beeindruckenden Malereien.

Hier hatten wir auch eine Führerin, die mit sehr großem Enthusiasmus aber ohne jegliches Wissen über Fremdsprachen in Polnisch über die Geschichte der Kirche erzählte. Maciej übersetzte, kam aber so manches Mal nicht mehr hinterher und nahm ein paar geschichtliche Abkürzungen.

Schmal waren sie damals die Herren Priester.

In einem Nebenraum, in den wir natürlich gehen konnten, stand noch eine der älteren Kirchenbänke. Die auch zu allem Überfluss direkt in den Beichtstuhl übergehen. Privatsphäre war damals eher optional.

Noch ein Detail: Da in der Kirche in der Regel die Herren hinten saßen, wurde hier der Tod dargestellt, wie er die Köpfe derjenigen absenst, die nicht ihr Haupt im Gebet neigen.

Echt eine der beeindruckendsten Kirchen des Tages und das, wo echt jede Kirche ihre eigene Faszination hatte.

Wir fühlten uns ein wenig an Norbu aus Bhutan erinnert denn Maciej war anscheinend so eine Art „Bruder im Geiste“ und musste unbedingt alles angrabbeln und öffnen. Selbst wenn es nur ein Schrank war.

Zum Ausgleich ging es nebenan in eine kleine Bäckerei. Teils weil Maciej hier was für seine Familie kaufen wollte und teils … nun ja …

Eine Trillion leckere Kalorien!

Und wir haben unsere Selbstbeherrschung etwas verloren! Aber waren glücklich!

Wenn man auf dem Land ist, ist so manches anders. So gab es auch

Und wieder eine Kirche, diesmal die Kirche St. Philipp und Jakob in Sękowa. Diese ist mit einem hohen Holzschindeldach gedeckt und war ebenfalls wunderschön anzusehen.

Erbaut in 1520 und natürlich auch ein Weltkulturerbe.

Hier hatten wir das Glück, dass wir ein frisch renoviertes Triptychon vorfanden, was heute zurückgebracht wurde.

Da die Sonne etwas rauskam boten sich auch sehr fotogene Motive.

Da es schon am frühen Nachmittag war, setzte langsam etwas Hunger ein. Glücklicherweise war direkt daneben die Majsternia Karpat, ein kleines Restaurant was sich einer traditionellen vegetarischen Küche rühmt.

Die Auswahl überschaubar, die Preise aber auch. Ein Piroggen-Mix für 6 Euro.

Dazu gab es Kaffee aus Saubohnen. War ok, muss man aber nicht nochmal kaufen.

Gestärkt ging es dann zur Kirche der heiligen Jungfrau in Owczary, erbaut in 1653. Insofern wieder was besonderes, als das hier Treibsand dafür sorgte, dass die erste Kirche versank.

Seit 1998 fungiert die Tserkva, wie man die Holzkirchen auch nennt, als römisch-katholisch-ukrainisch-griechisch-katholische Kirche.

Grund dafür war die „Operation Vistula“, eine 1947 durchgeführte Zwangsumsiedlung ethnischer Ukrainer, Bojken und Lemken aus dem Südosten der Volksrepublik Polen (etwa aus der heutigen Woiwodschaft Karpatenvorland und den östlichen Teilen der heutigen Woiwodschaften Kleinpolen und Lublin) in den Norden und Westen des Landes (die sogenannten wiedergewonnenen Gebiete).

In der Kirche feiern also zwei Religionen ihre Messen, je nachdem wird im Inneren halt einfach umdekoriert. Heute waren die Griechen dran.

Es ging immer weiter in Richtung der slowenischen Grenze und dort zu einem Denkmal für die Gefallenen aus den Schlachten im ersten Weltkrieg.

Analog zu der letzten Kirche: Allerlei Konfessionen vertreten. Im Sterben sind halt alle mehr oder weniger gleich.

Im Wald fand man übrigens sehr viele Pilzsammler, teilweise ganze Familien, die körbeweise davon zu ihren Autos trugen. Und dann die „Ernte“ mit ein paar Bierchen feierten.

Das Wetter wurde übrigens immer besser und wir unterhielten uns auch immer angenehmer mit unseren Mitreisenden. Mit Maciej sowieso, der war super nett, erzählte viel und fuhr uns von Kirche zu Kirche.

Dann zur Abwechslung mal eine griechisch-orthodoxe Kirche. Leider verschlossen aber farblich mal was anderes.

Das Wetter war wirklich schön aber irgendwann hat man beziehungsweise hatten wir dann doch genug an Kirchen. Analog dem „templed-out“ in Japan.

Letzter Halt für heute war die Kirche von Sankt Cosmas und Damian in Skwirtne. Begleitet von einem „local“ ging es vom Parkplatz zur Kirche. Quer über den Rasen.

Schön anzusehen aber auch die erste Kirche, bei der wir signifikante Touristenmengen zu sehen waren. Also … 5 Touristen neben uns.

Was in der Kirche aber zu einer Art Stau führte, denn innen stand ein Herr, der tatsächlich ein kleines Heftchen über diese Kirche geschrieben hat.

Die er uns signierte und überreichte.

Am Eingang der Kirche konnte man übrigens den Sieg des Pragmatismus über die Kunst sehen, denn für das Glockenseit musste kurzerhand das Gemälde ein Loch erhalten.

Und dann war es auch schon mit der Kirchentour. Insgesamt 12 Kirchen hatten wir besucht, alle hatten irgendwie was für sich. Maciej war ein sehr angenehmer Guide und Gastgeber und wir haben uns sehr nett unterhalten.

2 Stunden ging es dann zurück nach Krakow und wir nutzten das für ein kleines Schläfchen. Aber ein sehr sehenswertes und vor allem noch nicht so bekanntes Gebiet im Süden von Polen. Definitiv ein Besuch wert!

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