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Restaurant Tian, Wien

Wir zitieren mal vom Guide Michelin, denn besser können wir es auch nicht ausdrücken: „Ein ausgezeichneter Vertreter der vegetarischen Gourmetküche! Es gibt ein Menü mit sechs oder acht Gängen, das Sie auch als vegane Variante bestellen können. Die Geschmacksintensität der Gerichte ist dem technischen Können des Küchenchef-Duos Paul Ivić und Florian Burtscher sowie der tollen Qualität der saisonalen und regionalen Produkte zu verdanken. Begleitet wird das Menü von schönen Bio-Weinen – alternativ bietet man Alkoholfreies. Der Service: professionell, herzlich und immer mit einem Lächeln. Das Ambiente: ein schicker Mix aus historischem Rahmen und modernem Stil.“

Und genau dort wollten wir am ersten Abend hin und zwar in das Restaurant Tian in Wien.

Das Tian war schon länger auf unserer ToDo-Liste, denn obwohl wir durchaus gerne Fleisch und Fisch essen, so interessieren wir uns natürlich auch die vegetarisch und sogar vegane Ernährung. Im Freundes- und Bekanntenkreis gibt es diverse Menschen, die auf Fleisch und Fisch verzichten. Außerdem ist es ja tatsächlich so, dass der Fleischkonsum, gerade der übermäßige in den westlichen Ländern, sehr negative Auswirkungen hat. Auch deswegen essen wir zu Hause nur Fleisch von unserem Bio-Metzger um die Ecke, der von 3 Höfen direkt beliefert wird. Und haben seit 2 Jahren eingeführt, dass es in der Woche mindestens 1-2 vegetarische Tage gibt.

Auch die gehobene Gastronomie hat diese Zeichen der Zeit aufgenommen, was dann in letzter Konsequenz zu Restaurants wie dem Tian führt, in dem Chef Paul Ivic und sein Team eben eine komplett vegetarische Karte anbieten. Und weiter gedacht führt das Restaurant neben dem Michelin-Stern auch einen sogenannten „grünen Stern“, was vom Chef folgendermaßen erklärt wird: „In meiner Küche sind mir Biodiversität, Regionalität und Qualität ebenso wichtig wie die Demut vor unserer Natur und den natürlichen Prozessen! „No waste“-Philosophie sowie Bio- und Demeter-Produkte sind ebenso selbstverständlich wie faire Bezahlung unserer 20 Kleinerzeuger und unserer Mitarbeiter.“

Beides zusammen führte uns also an einem Donnerstag Abend vor diese Tür, teils mit großer Vorfreude, teils mit Neugierde und teils mit etwas Sorge ob dem Publikum oder dem Habitus hier. Wir haben zu viele Hipster-Restaurants gesehen, um nicht zu befürchten, dass auch hier ein eher hochnäsiges, sich selbst feierndes und überhebliches Klientel diniert.

Tja, letztes Vorurteil konnten wir nach dem herzlichen Empfang und dem ersten Eindruck mal gleich in die Tonne treten. Super nett, herzlich und mit ein bisschen Wiener Schmäh wurden wir an einen eher unschönen Platz in der Mitte des länglichen Speiseraums gesetzt. Und fanden an unseren Plätzen gleich mal die Menükarte vor.

Unsere Wahl war aber schon vorab gefallen: Einmal das Menü mit der Weinbegleitung bitte. Das Team rund um Sommelier Nico Hammerl und André Drechsel wurde übrigens 2023 zum „Gault&Millau-Sommelier-Duo des Jahres“ gekrönt. Und Nico war auch an dem Abend unser „Wein-Dealer“, was er mit Charme und viel Know-How vorzüglich tat.

Zu Beginn gleich mal was aus Österreich: Ein Sekt aus grünem Veltliner vom Weingut Zuschmann-Schöfmann aus dem Weinviertel. Sehr klar, ausreichend feinperlig mit schönen Aromen nach Apfel, Gewürzen und einem recht mineralischem Abgang.

Sehr cooler Beginn und gleich mal das Setting für die Begleitung, denn zu jedem der jetzt folgenden 7 Weine wurde ähnlich detailreich und mit Inbrunst die Idee, die Geschichte und die Gedanken zum Pairing erläutert.

Neugierde? Check!

Vorfreude? Berechtigt!

Hipster-artige Vibes? Nicht an unserm Tisch!

Die Grüße aus der Küche: Dreierlei vom Kohlrabi! Wir mögen diese „Dreierlei“-Konzeptgänge ja seitdem wir selber das „Dreierlei vom Lachs“ von Harald Wohlfahrt immer wieder nachkochen. Hier dann allerdings in der feinen, handwerklich beeindruckenden und völlig fleischfreien Variante.

Eine Rolle von Kohlrabi, leicht mariniert mit einer Zitruscreme.

Ein Lángos mit Kohlrabi und geriebenem Eigelb drauf.

Und zuletzt eine Art gebackener Kohlrabi von wunderbarer Konsistenz mit gepickelten Kohlrabistreifen und einer Miso-Majo daneben.

Von den drei Elementen dieses Gang hätten 3-4 weitere Tabletts auch ausgereicht, um uns satt und glücklich zu hinterlassen. Das war schon ein sehr beeindruckender Beginn, denn ein eigentlich nicht besonders stark schmeckendes Gemüse wie ein Kohlrabi so vielfältig zu präsentieren war sehr gelungen.

Wein-Technisch ging es spannend weiter mit einem slowenischen Wein eines sehr jungen Weingutes namens Winez, was von zwei Quereinsteigern in der Corona-Krise gegründet wurde. Elke Nezmahen und Florian Wirth haben mit ihren zwei Kindern (die auf der Webseite mit den Namen „Dupdidu“ und „Tilala“ als Mitglieder des Weingutes geführt werden) ein 200 Jahre altes Haus gekauft und saniert. Auf dem wilden Weingarten wuchsen 40 Jahre alte Reben der Sorten Kerner, Welschriesling und Furmint, die seit 5 Jahren nicht mehr geerntet wurden. Daraus wurde jetzt ein Wein gekeltert und aktuell wird geplant, wie man den Weingarten natürlich und vielfältig entwickeln kann.

Spannende Geschichte und nach dem ersten Schluck war der Wein auch spannend. Und passte echt überraschend gut, weil ergänzend, zum nächsten Gang: Kürbis mit Herbsttrompete und Amazake, also süßem Sake.

Gerade die Sauce war echt super intensiv und fast schon zu übermächtig gegenüber dem Raviolo in der Mitte. Aber alles gemeinsam balancierte sich noch gerade so aus und das erfüllte uns mit sehr viel Freude. Denn ein so rundes, mächtiges, stark gewürztes und dennoch irgendwie filigranes Gericht fällt genau in unser Beuteschema.

Der nächste Gang trug den uns unbekannten Namen „Robuschka“. Uns wurde dann aber erklärt, dass es sich hierbei um eine Rote Beete Sorte handelt, eine auf Geschmacksintensivität und nicht auf Größe gezüchtete Variante des „Muss man im Menü haben“-Gemüses 2023. Zumindest tauchte in fast jedem Gourmet-Essen mindestens in einem Gang rote Beete auf.

Dazu gab es Kefir-Chips, Dill und Gemüse sowie ein Sud. Dieser Gang war für uns der am wenigsten beeindruckende des Menüs, denn hier fehlte uns irgendwie Textur und Finesse. Der Sud war flacher als gehofft und die Rote Beete kam jetzt auch nicht so unglaublich intensiv daher wie vermutlich gewollt. Spannenderweise gab es einen Beaujolais dazu, was auch ein spannendes, wenn nicht sogar mutiges Pairing war. Der Wein war allerdings schon schön und wie der Gang recht burschikos.

Als nächstes gab es eine Brotzeit.

Zumindest war es so angekündigt, bevor unser Tisch mehr oder weniger mit Dingen vollgestellt wurde. Die Idee dahinter ist, dass das Gefühl einer Brotzeit vermittelt werden soll, wobei man ja stereotypisch hier eher Wurstplatten im Kopf hat. Daher gibt es hier auch, ähnlich einem japanischen Bento, viele verschiedene Dinge von gepicketem Blumenkohl, blanchiertem Brokkoli mit Sesam über zwei Brote bis hinzu einer Creme und geräucherten Mandelchips viel zu entdecken Und zu kombinieren.

Das machte echt Spass und für uns stellte sich tatsächlich dieses „Zusammen sitzen, eine Jausen-Brett bestellen und genießen“-Gefühl ein. Der Grüne Veltliner dabei verstärkte dieses Gefühl, ist dies doch unser Standard-Wein in einem Heurigen.

Haben wir schon den super sympathischen Service erwähnt? Ja? Aber nicht oft genug, denn alle Servicekräfte waren freundlich, professionell und erzeugten ein wirklich schönes Ambiente für uns. Die umliegenden Tische waren ebenfalls teilweise sehr glücklich, einige davon waren aber eher mit ihren Handys und Fotos beschäftigt. Naja, ihr Problem.

Wir freuten uns auf den nächsten Gang: Fisser Gerste, ein sogenanntes Urgetreide aus Tirol, mit Winterkohl und Bergamotte.

Wir mögen ja Grünkohl sehr, sehr gerne!

Insofern war hier der frittierte Grünkohl etwas gewöhnungsbedürftig für uns. In Kombination war es dann aber wieder sehr spannend, denn mit dem warmen, sehr winterlichen Sud und den frischen Blättern wurde es eine runde Sache. Wieder mal. Handwerklich und von der Kombination her eine echt gute Wahl.

Zum nächsten Gang gab es dann einen sehr spezieller Wein: Ein Vin Jaune, ein „gelber Wein“ aus dem Jura, der aus Savagnin hergestellt wurde und mindestens 6 Jahre und 3 Monate in einem Barriquefass lagern muss. Warum eine so ungerade Zeit? Keine Ahnung …

Sehr spannende Wahl, denn der sehr oxidative Geschmack zusammen mit dem nun folgenden Gericht ergab noch eine weitere Ebene im Geschmack. Quasi zuerst das Essen, wo sich dann der Wein drüber legte und alles noch irgendwie in eine etwas frischere Richtung drängte.

Der Gang bestand aus einem weiteren „Gemüse, was in jedem Menü mindestens einmal auftauchen muss“: Topinambur! Hier mit Pak Choi, Blüten und einem Schaum aus Vin Jaune.

Dazu ein Sud, der uns aber eher unscheinbar in Erinnerung geblieben ist. Dafür war aber die Kombination zwischen Wein und Soße der Hammer!

Zeit für den Hauptgang! Hier gab es vier hervorragende Tortellini aus Sonnenblumen-Kern-Teig mit Champignons und Physalis. Oder wie in Österreich genannt „Ananaskirsche“.

Sehr gute Textur der Tortellini, sehr schöne Kombination mit der Frucht und das Sauce. Wobei von letzter zu wenig da war, was aber nicht schlimm war, denn die Sauciere wurde freundlicherweise am Tisch gelassen. Sowas mögen wir ja auch sehr.

Zeit für den Nachtisch, wo wir zwei Möglichkeiten zur Auswahl hatten. Gemeinsam gab es einen Cheesecake mit Holunder und Pflaume. Oder wie es hier genannt wird: Holler und Zwetschge.

Dazu ein kleiner Frucht-Lolli.

Beides gut, aber nicht der kulinarische Kracher. Aber mit dem dazu gereichten Blaufränkisch ein schönes „Pre-Dessert“, wenn man so will. Also ein guter Übergang zum Nachtisch.

Was für uns übrigens immer ein guter Zeitpunkt für eine Bio-Pause ist. Wie so oft findet man auf dem Weg zur Toilette die Angeber-Wände mit den Auszeichnungen. Die hier allesamt, soviel zum Fazit, völlig berechtigt sind.

Der Weinschrank lag übrigens auch auf dem Weg und zu unserer Überraschung fanden sich hier einige Flaschen die wir sogar zu Hause haben (Jurtschitsch, Meyer am Pfarrplatz, …). Da bilden wir uns jetzt was darauf ein!

Zum Abschluss des Menüs bekam jeder was eigenes: Jens ging in die Richtung eines Schokoküchleins aus Beni Wild Harvest Schokolade mit Himbere und (noch einmal) Amazake.

Meike hatte sich für die Birne mit Toffee und Badger Flame, sogenannten Dachsflammenrüben von denen wir vorher noch nie etwas gehört hatten.

Beides jetzt wirklich vollwertige Nachtische: Süß, sauer, fettig, salzig (etwas) – alles dabei, was man von einem Nachtisch erwartet.

Ach ja, Getränke gab es auch passende dazu nämlich ein Birnen-Cidre aus der Normandie von Eric Bordelet mit 14 (!) verschiedenen Birnensorten gemacht für Jens und einen Süßwein namens Diables von Amós Bañeres aus Katalonien.

Ein sehr, sehr spannendes, fast schon lehrreiches Essen ging zu Ende. Und neben der Neugierde, die mehr als befriedigt wurde, war es ein lustiger, unterhaltsamer und kulinarisch sehr befriedigender Abend. Der Service war aufmerksam und legte sogar, als es etwas ruhiger wurde, noch einen drauf was die Interaktion mit uns anging. So unterhielten wir uns am Ende noch recht lange mit dem Sommelier über die Restaurants, die wir in Skandinavien dieses Jahr besucht hatten und über die verschiedenen Stile der Küchen.

Und dann kam … „der Kasten“.

Wir waren relativ stolz darauf, dass wir nur so wenige Dinge gewählt haben. Leider haben wir die vielen Kleinigkeiten uns nicht gemerkt, wohl aber das Gefühl „Lecker“. Wobei ganz stimmt es nicht, dann das bläuliche Stück ganz unten im Bild war ein Fruchtgummi mit Laphroaig. Was Jens natürlich zu einem „Muss Haben“-Reflex verleitete.

Apropos „Schnapps“: Unsere Frage, ob es denn was spannendes gäbe wurde mit diesen 4 Flaschen und 4 Gläsern sowie den Worten „Na dann probieren wir mal!“ quittiert.

Am Ende wurde der Abschluss mit dem Karotten-Schnapps vom Resetbauer zelebriert. Und auf dem Weg nach draußen quatschten wir noch ein wenig mit den Angestellten, wobei wir hoffen, dass wir sie nicht von den 2 anderen Tischen, die noch belegt waren, abgehalten haben. Glauben wir aber nicht.

Ein sehr, sehr cooler Abend. Tatsächlich hatten wir schon hohe Erwartungen wegen der Beschreibungen in Blogs und Büchern von der Küche im Tian. Und teilweise wurde diese Erwartung noch über-erfüllt. Klar gab es hier und da was, was uns nicht soooo gut schmeckte, aber das ist nun einmal beim Essen so: Es schmeckt nicht jedem alles gleich.

Das Handwerk, die Begeisterung für das Konzept und der Service sind aber über jeden Zweifel erhaben und ein Besuch hier ist wirklich eine echte Empfehlung! Und wir kommen sogar gerne wieder!

Jetzt hieß es aber: Ab ins Hotel und ins Bettchen!

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