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505 Kilometer, 182 Tunnel und der Eisplanet Hoth – die Bergenbahn

Sehr, sehr früh hieß es für uns: Koffer packen – 3 Koffer, um genau zu sein – und auschecken. Ein letzter Blick aus dem Hotelfenster in Richtung unseres Ziels: Dem Hauptbahnhof Oslo S.

Ein letztes Mal nutzen wir auch die Aufzüge, die hier etwas anders funktionieren, denn man wählt wo man hin will und die Anzeige zeigt, welchen Aufzug man nehmen soll. Im Aufzug selber gibt es hier keine Knöpfe mehr und das funktionierte eigentlich ganz gut, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat.

Mit den 3 Koffern ging es einmal über einen Übergang hin zum Bahnhof und dort enterten wir dann einen coop, um unser Frühstück beziehungsweise die Tagesverpflegung zu kaufen.

Denn heute stand eine lange Bahnfahrt auf dem Programm und zwar mit der berühmten Bergenbahn in Norwegens zweitgrößte Stadt Bergen.

der landschaftlich schönsten Bahnstrecken in Nordeuropa. Die Strecke wird von Tag- und Nachtzügen bedient – für uns waren zwei Plätze im aktuell frühesten Tagzug reserviert, der sich um 8:25 auf die knapp über 6 Stunden dauernde Reise begeben wird.

Auf dem Bahnsteig dann eine erstaunliche Menge an Touristen, die teilweise sehr rücksichtslos im Weg standen, was den einen oder anderen norwegischen Pendler, der aus den einfahrenden Lokalzügen ausstieg, doch nervte.

Aber dann, um genau 8:12, kam dann unsere Bahn eingefahren und man konnte sich auf die einzelnen Waggons verteilen.

Für uns hatte Jens im ersten Klasse Abteil, hier Pluss genannt, zwei Plätze in Fahrtrichtung links reserviert. Links deswegen, weil dort beim landschaftlich schönsten Teil der Strecke, der Blick besser ist. Die rechte Seite, wenn man von Oslo kommt, sieht hier eher Felsen.

Also alles eingerichtet, Musik auf die Ohren und ein Kaffee in der Hand ließen wir die Vororte Oslos an uns vorbei ziehen.

Relativ schnell war dann nichts mehr von einer Stadt zu sehen, es ging die ersten 50 Kilometer auf der Drammenbane eben nach Drammen, eine bereits 1872 eröffnete Strecke.

Die Bergensbane als Trasse beginnt in Drammen und ist bis Bergen etwa 470 km lang. Der seither durch mehrere Neutrassierungen verkürzte Schienenweg von Oslo nach Bergen ist heute bei Führung über Drammen etwa 505 km lang, bei Führung über Roa rund 471 km. Güterzüge werden meist über Roa geführt, während die Personenzüge über die längere, aber schneller zu befahrende Verbindung via Drammen verkehren.

Und so etwa eine gute Stunde nach der Abfahrt wurde es auf einmal weiß draußen.

Und hier zeigte dann die Bergenbahn warum sie eben eine der schönsten Bahnstrecken der Welt, unserer Meinung nach, ist.

Ab und zu gab es dann den ein oder anderen Bahnhof, insgesamt 16 sollten es am Ende werden. Wir genossen den Blick nach draußen und unsere bequemen Sitze.

So manchem Beobachter war der Zug allerdings nicht geheuer.

Für uns zeigte sich ein Winter-Wunderland.

Im Waggon, der ausgebucht war, ging es eigentlich recht ruhig zu. Da wir bei der Buchung etwa 1 1/2 Monate vor der Reise nur noch zwei Sitze an einem Tisch entgegen der Fahrrichtung (aber eben auf der rechten Seite) ergattern konnten, hatten wir zwei Kanadier gegenüber, die ruhig und nicht besonders gesprächig waren. Was da halt doof war, war der Fußraum, denn an den 2er Plätzen konnte man sich mehr oder weniger ausstrecken. Wir dagegen mussten immer schauen, dass wir unseren Sitznachbarn nicht vor die Schienbeine treten.

War hier und da schon unbequem, aber was soll es, denn die Show vor dem Fenster entschädigte doch schon für einiges.

Die Bergensbane führt über die größte Hochebene Europas, die Hardangervidda. Sie verläuft dabei über eine Strecke von etwa 100 km oberhalb der Baumgrenze. Am ursprünglichen Scheitelpunkt erreichte die Strecke 1.301 Meter über dem Meer. Seit der Eröffnung des Finsetunnels liegt der höchste Punkt bei 1.237 Metern.

Durch diese Streckenführung war der Bau der Bergenbahn auch nicht so einfach, denn es wurden insgesamt genau 182 Tunnel sowie diverse Lawinenschutzbauten errichtet, um einen Ganzjahresbetrieb zu ermöglichen. Die Strecke führt außerdem über etwa 300 Brücken. Der längste Tunnel der Strecke, der 1993 erbaute Finsetunnel, ist etwa 10,3 km lang.

Der Bahnhof Finse ist mit 1222 Meter über dem Meeresspiegel der höchstgelegene Bahnhof in Nordeuropa. Im Ort Finse gibt es, abgesehen von den Mitarbeitern der paar Touranbieter oder dem Hotel, keine permanenten Bewohner. Außerdem gibt es hierhin keine Straße, was bedeutet, dass man nur mit der Bahn oder zu Fuß beziehungsweise dem Rad hier hin kommt.

Im März 1979 wurden in Finse Teile von „Star Wars: Episode V – Das Imperium schlägt zurück“ gedreht, genauer gesagt die Szenen auf dem Eisplaneten Hoth. Und um zu schauen, ob nicht doch noch was vom Stützpunkt der Rebellen übrig geblieben ist, hat sich Jens dann auf den Weg zur Tür gemacht und wollte was rausschauen.

Ach ja, in der Pluss-Klasse gibt es gratis Heißgetränke als kleinen Bonus. Nicht, dass wir das oft genutzt haben, aber man hätte können.

Ansonsten waren es tatsächlich eher Touristen, die in der ganz vorne im Zug befindlichen Pluss-Klasse ihre Sitze gewählt haben.

Dann also Finse – hier hält der Zug ein paar Minuten und es sind auch tatsächlich mehrere Leute ein- und ausgestiegen.

Und solange die Schaffnerin draußen ist, wird der Zug ja schon nicht losfahren, also traute sich Jens was weiter von der Tür weg, um ein paar Fotos zu machen und im Schnee herum zu laufen.

Meike beobachtete das dann lieber aus dem Warmen.

Dann machte sich aber die Schaffnerin wieder auf den Weg zur Tür und Jens tat ihr gleich.

Weiter ging es durch den Finsetunnel, der 1993 den ursprünglich höchsten Abschnitt der Bergenbahn untertunnelte und somit etwas wetterfester machte. Und danach war es wieder eine beeindruckende Landschaft vor dem Fenster.

Fotos waren nicht ganz so einfach zu machen, denn die ganzen Bauwerke kamen, da wir ja entgegen der Fahrtrichtung saßen, mehr oder weniger überraschend für uns.

Aber neben dem ein oder anderen schwarzen Foto vom Inneren eines Tunnels oder Lawinenschutzes war die Landschaft mit das schönste was wir während einer Zugfahrt bislang gesehen haben.

Und ab und zu sind sogar die Fotos aus diese Bauwerken hinaus präsentabel.

Die Streckenführung hat sich in den letzten Jahren etwas geändert, führte aber immer an der Nordflanke des Moldatals entlang, vorbei an vielen Seen wie den Seltuftvatnet und den Reinungavatnet bis dann der Ort Myrdal erreicht wird. und den Abzweig zur Flåmsbana erreicht.

Myrdal liegt auf etwa 866 Metern über dem Meeresspiegel und ist der Ort, wo die Bergenbahn mit der Flåmsbana, die von Myrdal hinunter nach Flåm am Aurlandsfjord führt, verbunden ist. Die Flåmsbana ist eine eingleisige normalspurige Nebenstrecke, die wegen ihrer Landschaft und ihrer erheblichen Steigung von eben 866 Höhenmetern auf der 20 Kilometer langen Strecke heute eine Touristenattraktion in Westnorwegen darstellt.

Dementsprechend sind hier auch viele dieser Touristen ausgestiegen und da waren auch unsere Tischnachbarn dabei. Endlich wieder die Füße ausstrecken!

Unser Reisebegleiter Sven traute sich dann auch raus, wobei er nach den 5 Tagen im Koffer in Düsseldorf immer noch recht scheu war.

Aber bei dem Ausblick muss man einfach rausschauen.

Der Zug wurde etwas leerer aber es stiegen auch immer mal wieder Leute ein. Eine Station lag sogar als Bedarfshalt in einem Tunnel und dort stiegen zwei Leute mit 5 großen Metallkisten ein, was eher an eine Expedition denn an einen Ausflug erinnerte. Unsere beiden Plätze blieben aber bis Arna leer – sehr angenehm für uns.

Je tiefer es ging, desto weniger Schnee war natürlich zu sehen und das Winter-Wunderland veränderte sich zu einer überraschend grünen und sonnigen Landschaft.

Gut, die Tunnel waren immer noch da und so schaute Sven lieber Meike beim Lesen zu. Oder vielleicht auch ihrer neuen Lieblings-Süßigkeit: Chips-Rollen mit Schokolade ummantelt.

10 Kilometer vor Bergen hieß es dann: Alles aussteigen!

Die Bergenbahn wird auch aktuell immer weiter ausgebaut, so soll der Abschnitt von Arna nach Bergen zweispurig ausgebaut werden. Im laufenden Betrieb ist dies nicht möglich, weswegen von Arna aus die letzten Kilometer mit Bussen zurückgelegt werden müssen.

Durch den relativ neuen Bahnhof mit dem Charme eines Bunkers ging es zu einer großen Menge bereitstehender Reisebusse.

Leider war es hier sehr konfus, als wir in einen Bus einsteigen sollten, wurden wir recht unfreundlich angewiesen nach vorne zu gehen. Wo kein Platz in den Bussen oder den Gepäckräumen war. Also mussten wir wieder zurück und spielten die Touristen-Karte, indem wir gebrochen Englisch sagten „Bus full“ und so Zutritt zum anderen Bus erhielten. Naja, war etwas nervig und eine der wenigen Ausnahmen, wo es echt schlechten Service gab.

Unser Bus fuhr dann auch lange nicht los, eine Dame stieg ein und dann wieder aus. Alles recht unstrukturiert.

Als es dann los ging, spielten auch noch zwei Teenager laut TikTok-Videos ab. Und unsere Kopfhörer waren im Rucksack über uns.

Naja, die 10 Kilometer gingen dann auch vorbei und schon waren wir am Busbahnhof von Bergen. Zum Hotel wollten wir nicht gehen und so kam mal wieder der doch hohe Grad an Digitalisierung Norwegens zum Tragen: App des lokalen Busanbieters runtergeladen, Konto angelegt, 24 Stunden Ticket gekauft. Und in der App gesehen, wo der Bus zum Hotel losfährt, minutengenau gesehen, wann der nächste Bus kommt und eingestiegen. Alles so in 5 Minuten, von denen der meiste Zeitverbrauch mit der Nutzung einer deutschen Kreditkarte zusammenhing.

Und dann waren wir schon am Hotel. Nach einer wirklich sehr, sehr beeindruckenden Eisenbahnfahrt.

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