Als erste Amtshandlung sozusagen wollten wir ein bisschen Leipzig erkunden. Die Stadt im Freistaat Sachsen ist die acht-größte Stadt Deutschlands und hat 1165 das Stadtrecht erhalten. Und relativ schnell wuchst die Stadt zu einem bedeuteten Handelszentrum, anfangs durch den Pelzhandel. Dieser begründete auch Leipzigs Tradition als Messestandort, denn bereits 1190 fand eine Ausstellung statt, wo Händler ihre Pelze und die Werkzeuge zur Herstellung ausstellten.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Stadt auch als „Reichsmessestadt“ bezeichnet. Außerdem war und ist hier ein Zentrum des Buchhandels sowie eine der ältesten Universitäten Deutschlands zu finden.
Die Musik spielte in der Geschichte der Stadt auch eine große Rolle, denn hier komponierten und dirigierten Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn Bartholdy das Gewandhausorchester oder den Thomanerchor.
In der näheren Vergangenheit kennt man Leipzig auch durch die Montagsdemonstrationen 1989, die die Initiatlzündung für die friedliche Wende in der DDR gaben und der Grund sind, weswegen man sich auch als „Heldenstadt“ bezeichnet.
Also viel zu entdecken, weswegen Jens seine „GPS my City“-App startete und einen kleinen Stadtrundgang begann. Erster Halt nach ein paar Minuten: Die Oper Leipzig.
Die Oper Leipzig ist ein sogenanntes Drei-Sparten-Theater, bestehend aus der eigentlichen Oper, dem Leipziger Ballett und der Musikalischen Komödie und führt die über 330 Jahhre währende Tradition der Musiktheater in Leipzig weiter. 1693 wurde das damalige Leipziger Opernhaus als drittes bürgerliches Musiktheater Europas nach dem Teatro San Cassiano in Venedig und der Hamburger Oper eröffnet. Bald fielen dort allerdings Baumängel auf und das Ganze wurde 1729 abgerissen.
1766 wurde das sogenannte „Comödienhaus“ neu erbaut und 1871 in „Theater der Stadt Leipzig“ umbenannt. Doch auch dieses Theater steht heute nicht mehr, den bei einem Luftangriff in der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 1943 wurden Altes und Neues Theater zerstört.
Der Ministerrat der DDR beschloss dann 1950, das dieses Theater nicht wieder aufgebaut wird, sondern an gleicher Stelle ein neues Opernhaus errichtet werden soll. Mit dem Bau wurde 1956 begonnen, 1960 feierte man dann die Eröffnung. Und der Epoche gehorchend sieht der Bau auch so richtig „sowjetisch“ aus, fanden wir zumindest.
Ach ja: Gustav Mahler war hier 1886 Generalmusikdirektor und würde uns noch für den ein oder anderen Wortwitz dienlich sein … 😉
Schon hier fiel uns die hohe Dichte an Jugendlichen auf, die auch oft irgendwelche T-Shirts von Turnvereinen trugen. Warum? Nun, an dem Wochenende fand in Leipzig das internationale Deutsche Turnfest statt. Das erste seit 2017, da durch Covid-19 das Turnfest 2021 abgesagt wurde.
Und dieses Turnfest ist keine kleine Veranstaltung, denn knapp 100.000 Turner und Turnerinnen nehmen daran teil. Erstmalig abgehalten wurde das Turnfest 1860 in Coburg. Organisator der Zusammenkünfte ist der Deutsche Turner-Bund. 1861 fand das zweite Deutsche Turnfest in Berlin statt. Anlass war die Errichtung des ersten deutschen Turnplatzes 50 Jahre vorher und die Grundsteinlegung für das Jahndenkmal in der Hasenheide. Die Turnfeste hatten nicht nur einen sportlichen Hintergrund. Im Sinne Turnvater Jahns sollten alle Turner immer nach der Einheit Deutschlands streben. In diesem Sinne war das Deutsche Turnfest auch eine politische Veranstaltung, dieser Aspekt verlor jedoch nach dem Erreichen des Ziels durch die Reichsgründung 1871 an Bedeutung.
Während die Nationalsozialisten das Turnfest dann wieder zur Propaganda nutzen und mit über einer Million Teilnehmern Massenveranstaltungen durchführen, war das in Leipzig eine schöne, bunte und internationale Veranstaltung. Mit einem echt schönen Vibe und vielen fröhlichen Menschen.
Während wir uns dem Augustusplatz näherten schauten wir auf die Menge aus Sportlern, Besuchern, Familien und allen anderen, die den schönen Feiertag genossen. Musikkapellen spielten einfach so, Kinder rannten umher – ein schönes Fest. Und dann auch noch die Gruppe mit dem integrativen Band … nicht wahr, Meike? 😉
Der Augustusplatz in Leipzig befindet sich am östlichen Innenstadtring und ist mit 40.000 m² einer der größten Stadtplätze in Deutschland. Er ist seit 1839 nach Friedrich August dem Ersten (1750–1827) benannt, dem ersten Herrscher des Königreichs Sachsen, und trug von 1945 bis zur deutschen Wiedervereinigung Anfang Oktober 1990 den Namen Karl-Marx-Platz. Während der Wendezeit 1989 war der Platz der zentrale Versammlungsort der Montagsdemonstrationen und jetzt ist er halt wieder der Augustusplatz. Der Mendelbrunnen vor dem Gewandhaus war erfreulicherweise etwas leerer als der Rest des Platzes und so konnten wir ein paar Fotos machen.
Der weitere Weg führte uns durch die Innenstadt und hier war es dann doch etwas voller. Erst Recht an den Stellen, wo Musikkapellen unter anderem auch Guggenmusik aufspielten. Viel los aber irgendwie auch mit Flair.
Nächster Stop und ebenfalls historisch gerade in Deutschland signifikant: Die Nikolaikirche!
Die Nikolaikirche ist die älteste und größte Kirche in der Innenstadt von Leipzig sowie neben der Thomaskirche die bekannteste Kirche der Stadt. Die ehemalige Stadt- und Pfarrkirche St. Nikolai wurde ab 1165 nach der Verleihung des Stadt- und Marktrechtes an Leipzig im romanischen Stil erbaut. Johann Sebastian Bach führte hier zahlreiche seiner Kantaten und Oratorien zum ersten Mal mit dem Thomanerchor auf, darunter auch die Johannespassion, sein bis dahin umfangreichstes Werk, am Karfreitag 1724.
Im Herbst 1989 war die Nikolaikirche zentraler Ausgangspunkt der friedlichen Revolution in der DDR mit dem anschließenden Mauerfall in Berlin am 9. November 1989 und der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990.
Spannende Geschichte an allen Ecken, wobei man, wenn man links oder rechts des Weges schaute auch einfach nur Plattenbauten oder andere schlichte Nutzarchitektur zu Gesicht bekan.
Dann aber auch wieder das Riquethaus, der Firmensitz der Riquet & Co. AG (hier bitte kurz an Obelix & Co. KG denken!), einem 1745 gegründeten Unternehmen für die Herstellung und den Vertrieb von Süßwaren. Die Schokolade war beispielsweise die Lieblingsmarke von Johann Wolfgang von Goethe, was er in zahlreichen Briefen erwähnte.
Daneben fanden wir Specks Hof, ein Geschäftshaus mit der ältesten erhaltenen Ladenpassage in Leipzig. 82 Meter lang ist sie ein Beispiel für die Anfang des 20. Jahrhunderts erbauten Messe- und Handelshäuser. Auch wenn an einem Feiertag natürlich nix aufhatte und demnach auch recht wenig los war.
Neuer Berufswunsch: Lustspieldichter!
Weiter ging es durch die volle Innenstadt, hier und da unterbrochen, weil wir der Musik lauschen wollten.
Der Markplatz war leider durch die aufgebauten Zelte nicht richtig zu genießen, aber das holen wir bei Gelegenheit mal nach. Denn hier fanden wir Leipzig schon echt schön und uns war klar, dass wir nicht alles sehen würden.
Nächstes Highlight, neben dem verlockenden Lillet-Stand davor, war die Thomaskirche mit der Grabstätte von Bach.
Die Thomaskirche in Leipzig ist – zusammen mit der Nikolaikirche – eine der beiden Hauptkirchen der Stadt und als Wirkungsstätte Johann Sebastian Bachs und des Thomanerchores weltweit bekannt. Erste Grundmauern stammen aus der Zeit von etwa 1160 und zwischen 1212 und 1222 wurde die damalige Marktkirche zur Stiftskirche des neuen Thomasklosters der Augustiner-Chorherren umgebaut. Der Minnesänger Heinrich von Morungen soll dem Kloster anlässlich seines Eintritts eine Reliquie des Hl. Thomas geschenkt haben, die er aus Indien mitgebracht hatte.
Der Thomanerchor wurde bereits 1212 gegründet und ist somit einer der ältesten Knabenchöre Deutschlands. Im Laufe der Geschichte bekleideten immer wieder bedeutende Komponisten und ausübende Musiker das angesehene Amt des Thomaskantors, wie eben auch Johann Sebastian Bach.
Aber auch die Kirche ist bedeutend, so predikte zu Pfingsten 1539 hier der Reformator Martin Luther. In der modernen Zeit gab es hier auch viele Berühmtheiten, deren Lebensweg mit diesem Bau verbunden ist. 1871 wurde Karl Liebknecht in der Thomaskirche getauft. Schriftliche Taufpaten waren Karl Marx und Friedrich Engels.
Das Dach hat einen ungewöhnlich steilen Neigungswinkel von 63° und ist damit eines der steilsten Giebeldächer Deutschlands.
Aber hier war es auch sehr voll und so hielten wir uns nicht so lange auf, sondern genossen das schöne Wetter vor der Kirche. Wo allerdings auch ein paar suspekte beziehungsweise betrunkene Personen die schöne Atmosphäre störten.
Eine kleine Runde drehten wir noch, denn um 18:30 Uhr hatten wir einen Tisch im berühmten Auerbachs Keller gebucht. Und so spazierten wir noch etwas in Richtung Neues Rathaus.
Davor ein Denkmal zur Erinnerung an Carl Friedrich Goerdeler, Oberbürgermeister von Leipzig in den Jahren 1930-37, zurückgetreten von seinem Amt aus Protest gegen die nationalsozialistische Politik und hingerichtet für seine Mitwirkung bei dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944. Goerdelers Leben und politisches Verhalten, wie es in seinen Lebensdaten hier festgehalten ist, spiegeln auch, wie schwierig und komplex die deutsche Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war. Auch wenn ihn sein Widerstand schwersten Gewissenskonflikten aussetzte, wurde Goerdeler für die Nationalsozialisten zu einem der gefährlichsten Oppositionellen. Seine eindrucksvollsten Äußerungen galten der Freiheit des Denkens und Handelns in Zeiten, als Widerspruch fast ganz verstummte. Diese Sätze erscheinen auf den Ringsteinen des Denkmals und spiegeln sein Vermächtnis.
Daneben das Neue Rathaus, zwischen 1899 und 1905 errichtet und mit der Fertigstellung des Stadthauses daneben 1912 vollendet. Auf einer Nettogrundfläche von über 65.000 m² hat man hier insgesamt 1.708 abgeschlossene Räume. Der seinerzeit größte Rathausneubau im Deutschen Reich ist auch heute noch der größte Bau im Stile des Profanbaus weltweit.
Beeindruckend und hier setzten wir uns ein wenig hin und ließen das Ganze auf uns wirken.
Dann ging es aber in einer Art „Zick-Zack-Kurs“ zurück in die Innenstadt und in das hiesige Pendant zu den Brauhäusern in der Kölner Innenstadt: Auerbachs Keller. Schon im 16. Jahrhundert ein beliebtes Weinlokal und erstmalig 1438 erwähnt. Seine weltweite Bekanntheit verdankt es aber wohl vor allem Johann Wolfgang von Goethe durch die gleichnamige Szene in seinem Faust. Auch Martin Luther war hier zu Gast.
Also mal rein mit uns, denn es gibt einen Spruch, der folgendermaßen geht:
Wer nach Leipzig zur Messe gereist,
Ohne auf Auerbachs Hof zu gehn,
Der schweige still, denn das beweist:
Er hat Leipzig nicht gesehn.
Der Keller ist schon echt groß, wir wurden von der Bedienung in eine Ecke gesetzt und beobachteten das Treiben. Tisch werden hier im 2 Stunden Takt besetzt und es kamen und gingen andauernd Einzelpersonen, große Gruppen und Familien.
Das Bier war ok, das Essen ebenfalls – es ist halt mehr der Ort als die Kulinarik die einen hierhin treibt.
Aber da ist ja nichts schlimmes dabei, denn wir hatten unsere Spaß und es war ein guter Abschluss des ersten Nachmittages in Leipzig. Und so ging es zurück ins Hotel und direkt auf die Zimmer. Morgen würden es ein paar Schritte mehr werden, soviel war sicher.