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Restaurant Sushi Nakazawa, New York

Heute morgen lagen wir noch im beschaulichen Portsmouth und schauten auf eine leere Innenstadt. Keine 12 Stunden später laufen wir durch Manhattan – viel krasser kann der Unterschied nicht sein.

Auch kulinarisch sollte es ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht werden, denn gestern Abend saßen wir in einer Craftbeer-Bar und aßen Fast Food Tacos. Heute Abend sollte es etwas gehobener werden. Und dazu mussten wir zum ersten Mal seit 10 Jahren wieder mit der Subway fahren.

„Damals“ haben wir uns noch eine Metrocard gekauft und eine Mehrtageskarte gekauft. Heute kann man, wie in Edinburgh beispielsweise auch, einfach mit der Kreditkarte fahren und das dahinter liegende System namens „OMNY“ bucht jede Fahrt einzeln ab, solange bis der Preis für eine Wochenkarte erreicht ist. Durch dieses sogenannte „Price cap“ wird sichergestellt, dass man maximal eben diese Wochenkarte ausgibt.

Ehrlich gesagt wollten wir wieder eine Papierkarte kaufen, wir sind halt alt und daran gewohnt was in der Hand zu haben. Aber da alle Automaten an der Haltestelle Rockefeller Center entweder kaputt waren oder keine Kreditkarte als Zahlungsmittel akzeptierten, bleib uns nicht viel anderes übrig, als dem OMNY System zu vertrauen. Was übrigens auch geklappt hat.

Und schon standen wir auf dem Bahnsteig in dem typischen Duft aus alter Eisenbahn, Reinigungsmitteln und, auch hier wollen wir ehrlich sein, Urin.

In unserer Erinnerung fuhren die Bahnen vor 10 Jahren auch häufiger, aber wir hatten noch genug Zeit für unsere Reservierung also machten wir uns keine Sorgen. Und da wir einen der Express-Züge nahmen, war das alles sowieso kein Problem.

Quer durch Greenwich Village ging es dann zu unserem Ziel: Dem Sushi Nakazawa!

Dort hatten wir im Vorfeld einen Tisch am Tresen reserviert, aufgrund der nicht so gut planbaren Anfahrt von Boston aus erst um 21:30 Uhr. Eigentlich jetzt nicht so unsere Abendbrot-Zeit aber eine andere Zeit gab es hier nicht, denn es werden pro Abend zwei Uhrzeiten angeboten. Warum, das würde gleich deutlich werden.

Sushi Nakazawa wurde 2013 eröffnet und vor ein paar Jahren umgebaut. Die Inhaber haben damals tatsächlich die auch von uns häufig erwähnte Dokumentation „Jiro Dreams of Sushi“ gesehen und daher den Protege von Jiro Ono, Daisuke Nakazawa, für das Projekt gewonnen. Nakazawa-san hat bei Jiro 15 Jahre Ausbildung hinter sich gebracht und danach unter einem anderen Sushi-Meister noch kurz gearbeitet, bevor er hier nach New York kam.

Das Sushi Nakazawa hat seit 2019 einen Michelin Stern und hat im Jahr seiner Eröffnung als eines von nur 6 Restaurants in New York (von über 10.000) eine 4 Sterne Bewertung der New York Times erhalten (inzwischen gab es „nur“ 3 Sterne, damit ist man aber immer noch eines der besten Restaurants in NYC).

Beim Hereinkommen konnten wir, da wir fast 30 Minuten zu früh waren, erst einmal Platz in einer Art Lounge nehmen und so das Kommen unserer Mit-Gäste und Gehen der früheren Gäste beobachten. Als Lektüre gab es schon einmal die Weinkarte, wobei wir uns schon vorab für die Sake-Begleitung entschieden hatten. Beeindruckend war hier schon das Personal, was sich still, ruhig und super freundlich um die Gäste kümmerte und dabei schon eine gewisse Vorfreude erzeugte.

Durch den Vorhang ging es dann kurz vor halb 10 an den vorher erwähnten Counter, hinter dem bereits die Köche warteten, um uns zu bedienen.

Und das sollte eine der beeindruckendsten Sushi-Erlebnisse unseres bisherigen Lebens werden!

In der Lounge hatten wir uns noch jeweils ein japanisches Bier gegönnt, wobei diese erstaunlich flach waren. Allerdings auch wieder logisch, denn bei der Reservierung wird man auch gebeten, kein aufdringliches Parfüm zu benutzen, weil das das Erlebnis mindern soll.

Unsere Sake Begleitung haben wir kurz aufgegeben und wurden so neben dem Omakase-style servierten Sushi noch mit weiteren Eindrücken versorgt. Denn der hier ausgeschenkte Sake erinnerte uns von der Bandbreite her an unseren Besuch im Sushi Sho in Stockholm.

Ansonsten lag vor uns auf dem Counter eine Platte, ein Paar Stäbchen und ein Glas Wasser. Und uns gegenüber stand ein Koch in freudiger Erwartung. Wobei er das seinem Gesicht noch sagen musste, denn er schaute japanisch stoisch auf uns und begrüßte uns.

Und dann gab es 20 Sushi-Stücke, jeweils eines nach dem anderen. Alle vor unseren Augen zubereitet und alle mit einer kurzen Erklärung, was wir da jetzt bekommen und wo der Fisch her kommt.

Die Zubereitung folgte einem kleinen Ritual: Erst den Reis mit 7 Griffen zu einem kleinen, sehr leichten Stück formen. Dann den vorher präparierten Fisch mit einem kleinen Hauch von Wasabi oder anderen Cremes auf den Reis legen, kurz andrücken und dabei den Reis nicht zu einem Klumpen quetschen, wie das nun einmal so oft in den billigen Sushi-Restaurants auf das ganzen Welt passiert. Auf den Fisch oder die Muschel oder was auch immer kam dann ab und an eine von 3 Soja-Lacken, die ebenfalls vor dem Koch standen und abhängig vom Fisch und seiner Struktur ausgewählt wurden. Sie reichten von starken, schön fermentierten Sojasaucen bis hin zu einer an Ponzu erinnernde Sauce mit viel Zitrus.

Über den Fisch gab es dann ab und zu noch Salz, Yuzu-Abrieb oder einfach gar nichts.

Und dann wurde das Stück Nigiri vor uns gestellt und annonciert. Für uns hieß es dann nur noch: Mit der Hand nehmen und genießen.

Am Anfang waren wir so beeindruckt und begeistert, dass wir vergessen haben zu fotografieren. Aber alleine der Anfang mit 3 verschiedenen Lachs-Nigiri war schon krass. Der Fisch war natürlich von außergewöhnlicher Qualität aber was uns vom ersten Stück an begeistert hat, war tatsächlich der Reis! Handwarm, leicht, mit einem beeindruckend langen Geschmack nach Sushi-Zu, also der Gewürzmischung, die man unter den Reis mischt.

Nach dem Lachs gab es einen neuen Sake und wir wechselten zu einem grandiosen Stück Jakobsmuschel. Ach ja, beim Sake wurde uns schon beim zweiten Sake sehr viel mehr erklärt als bei anderen, weil wir wieder einmal zu viel Interesse daran gezeigt hatten. Und als wir John Shin, der General Manager der heute Abend anwesend war, davon erfuhr, dass wir häufiger gehoben Essen gehen und außerdem ein latentes Halbwissen über Sake haben, kam es zwischen den Gängen immer wieder zu sehr interessante Gespräche zwischen uns. Die in der Regel von Mr. Shin mit den Worten „Nigiri first!“ abgebrochen wurden, als er merkte, dass es was neues zu Essen gab.

Die Jakobsmuschel wurde vor unseren Augen übrigens ausgenommen, geputzt, kurz gewärmt und dann serviert. So frisch, dass noch letzte elektrische Stöße den Muskel kontraktieren ließen. Was natürlich ein netter Show-Effekt ist aber eben auch die Frische demonstrierte.

Da wir Scallop-Fans sind, war dies ein Gang auf den wir vorab schon gehofft haben. Und was sollen wir sagen: Das Kintaro in Köln wurde von seinem Thron gestoßen, wir haben eine neuen Lieblings-Jakobsmuschel gefunden.

Kleine Calamari mit einem Ponzu-Gel und sehr schön arrangierten Blümchen (Instagram-Tauglich!) wurden als Gunkan Maki serviert.

Natürlich waren die kleinen Kollegen äußerst lecker, gerade von der Textur her, aber auch hier waren die Basics das, was uns tatsächlich fast noch mehr begeistert hat: Das Nori Blatt.

Wer die Dokumentation über Jiro gesehen hat, kennt die Szene in der sein Sohn vor dem Restaurant in der U-Bahn Station Ginza sitzt und Nori-Blätter anröstet. Und so schmeckte es auch hier, denn das Nori Blatt war leicht kross, etwas rauchig im Geschmack und bot daher noch eine weitere Ebene dieses eigentlich sehr einfach aussehendem Maki.

Ebi, also Garnele, gab es natürlich auch. Und natürlich auch frisch vor unseren Augen ausgenommen, geputzt (keine Ahnung, wie der den Darm so schnell und so sauber ausgenommen hat, aber das war hier eine Sache von Sekunden!) und kurz liegen gelassen. Das ist uns auch aufgefallen, dass das hier alles sehr genau vom Timing her war: Teilweise wurden Zutaten ein oder zwei Gänge bevor sie gebraucht werden, schon vorbereitet, damit sie vermutlich die richtige Temperatur annehmen können und so genau wie es sein soll bei uns ankamen.

Auf die Garnele kam nur sehr wenig vom Lack und das war auch gut so, denn so konnte man die Frische merken und genießen.

In das Sushi Nakazawa kommt übrigens täglich (!) eine Lieferung Fisch und Meeresfrüchte aus Tokyo. Und das war mindestens genau so beeindruckend und logisch wie die Tatsache, dass Chef Nakazawa-san einen eigenen Sake kreiert hat, den wir dann zu den nächsten 2-3 Sushi verkosten konnten.

Auch der Sake war sehr spannend ausgesucht, beziehungsweise alle Sake waren individuell. Von leicht und süß über floral und sogar leicht bitter beziehungsweise krautig bis kräftig und stark. Jeder Sake wurde erklärt, die Geschichte der Hersteller und die Begründung, warum der Sake jetzt passen sollte. Dabei wurde auch wieder nicht irgendwie vorbestimmt, was wir zu schmecken haben, sondern es wurde Raum gelassen, um den Sake selber zu entdecken. Denn Geschmack ist letzten Endes auch subjektiv.

Apropos Geschmack: Es ging immer weiter mit den vorzüglichen Sushi, hier mit einer Makrele auf die wieder etwas mehr Sojasauce kam.

Weiter ging es zu einem weißen Fisch, dessen krosse Haut wieder eine neue Ebene hinzufügte. Leider haben wir vor lauter Genuss nicht mehr genau notiert, was das genau war. Insofern lassen wir hier einfach nur die Bilder sprechen.

Der nächste Sake war was sehr besonderes, denn hier wird tatsächlich ein Sake Cuvee kredenzt. Richard Geoffroy, Chef de Cave bei Dom Pérignon Champagne und der Gründer von IWA 5, verfolgt mit dieser Assemblage den Traum eines großartigen japanischen Sake. In 2 Schritten werden verschiedene Reissorten und Hefestämme miteinander verbunden, um so eine besondere Tiefe im Geschmack zu erhalten.

Unnötig zu sagen, dass auch dieser Sake hervorragend war und das sowohl alleine als auch in Kombination mit dem vor uns schon liegenden Thunfisch!

Vorher gab es aber nochmal zwei der ursprünglichsten Sushis: Saba, also Makrele. Unserer Erinnerung eine Makrele aus Hokkaido, aber so genau wissen wir das nicht mehr.

Während wir das letzte Stück genossen, wurde vor uns schon der Thunfisch präpariert.

Und dann kamen sie schon an unseren Tisch: Minamimaguro, also Blauflossenthun mit einem kleinen Fettrand, der nochmal extra Geschmack gab.

Senaka, also der helle, rote Teil des Thunfisches vom Rücken.

Und dann (vermutlich) Sekami, also der etwas fettige vordere Teil des Rückens, leicht mariniert.

Zu guter Letzt dann Toro, also der fettige Bauch des Thuns.

Oh mein Gott war das gut! Und alles genau richtig temperiert, sehr gut von der Reis-Fisch-Verteilung und immer so, wie es sein soll.

Man kann übrigens das Menü, was alleine 190 US Dollar kostet, noch erweitern. Kaviar oder sowas interessiert uns ja eher nicht, aber das Wagyu-Sushi … da konnten wir nicht „Nein“ sagen. Und das wurde beim letzten Sushi parallel vor uns zubereitet.

Nächster Sake: Ein Ohmine 3grain, was ein recht süßer Sake aus der Yamaguchi Präfektur voller Umami war. Auf dem ein japanischer Manga Künstler die Bilder malt.

Und vor dem Wagyu gab es noch zwei Gunkan Sushi, einmal mit Lachsrogen und einem kleinen Stück frischem Wasabi drauf.

Und dann etwas, wovor wir etwas Respekt hatten: Seeigel, Uni.

Das haben wir ja in Japan mehrfach probiert und dabei von „lecker“ bis zu „ungenießbar“ alles erlebt. Natürlich war hier die Qualität sehr gut und somit eher bei „lecker“ anzusiedeln, aber irgendwie finden wir beide bei Uni immer noch Noten im Geschmack, die uns nicht gefallen.

Dann war es Zeit für den Zusatzgang.

Das Rindfleisch wurde geflämmt und mit der warmen Seite nach unten auf den Reis gelegt. Was Sinn macht, denn Sushi soll man mit der Fisch-Seite, in diesem Fall mit der Fleisch-Seite, auf die Zunge gelegt werden. Uns so schmeckte man hier zuerst den Klecks auf dem Fleisch, dann das Fett und wenn man drauf beißt schmeckt man die Röstaromen und den süßlich-sauren Reis.

Der Begriff „Geschmacksexplosion“ ist zwar eigentlich sehr blöde, aber besser können wir es nicht beschreiben was im Mund passierte.

Mit den Resten gab es noch ein Temaki mit einer Sauce – wie gesagt waren wir zwischendurch nicht in der Lage uns alles zu merken. Und das lag schlicht daran, dass wir uns entweder angenehm unterhalten haben oder einfach nur genossen haben.

Abschluss ist hier Unagi und Tamago, also Aal und Ei. Der Aal wurde noch einmal sehr präsentabel vor uns zubereitet.

Und das Ei haben wir schon gar nicht mehr fotografiert. Dafür aber die Interpretation einer Creme Brûlée mit Reispudding und einem grünen Tee dazu.

Und während wir den Nachtisch verputzten, wurde vor uns aufgeräumt, weggeräumt und … schwupps … waren alle weg und alles sauber. Für 2-4 Gäste war den ganzen Abend ein Koch verantwortlich und dazu gab es noch ein, zwei Springer, die unterstützen, wo es nötig war.

Die Fotos, die wir gemacht haben, waren erlaubt. Wir wurden nur gebeten, nicht die Gesichter der Köche zu fotografieren, woran wir uns natürlich gehalten haben. Im Netz findet man auch Leute, die sich nicht daran gehalten haben, aber muss ja jeder selber wissen, wie nett man sein und wie sehr man die Bitte respektieren möchte.

Tja und dann war es auch schon vorbei: Eines der besten japanischen Essen unseres Lebens. Vom Service über die Getränke bis zum Essen, die Interaktion mit den Köchen, den Sommeliers und auch Herrn Shin, mit dem wir uns am Ende noch lange über die Sushi-Kultur in den USA und Europa und andere Dinge unterhalten haben, stellte uns alles mehr als zufrieden.

Wir hatten hohe Erwartungen und die wurden mehr als erfüllt – wer Sushi mag, wird hier glücklich werden!

Durch die Nacht, inzwischen war es nach Mitternacht, ging es zurück zur Subway und zurück zum Hotel.

Immer noch unwirklich, dass wir vor wenigen Stunden noch mitten an der Ostküste in New Hampshire waren und jetzt stehen wir nach so einem Essen in der Subway und fahren zum Hotel.

Korrektur: Wir fahren höchst zufrieden zum Hotel!

Mal schauen, was morgen so kommt – kulinarisch war das auf jeden Fall ein starker Anfang!

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