Im Vorfeld eines jeden Urlaubs in den letzten Jahren hat der kulinarische Aspekt immer mehr Raum eingenommen. Waren wir beim ersten gemeinsamen Urlaub in London und Schottland oder dem ersten großen Urlaub in Japan noch eher auf der „Sandwich aus Supermarkt“-Schiene unterwegs, sind es heute Seiten wie der Guide Michelin, der Gault Millau, Foodblogger oder die Top 50 List von San Pellegrino Informationsquellen, auf denen wir nach Optionen für unser Abendessen suchen.
Aus diesen ganzen Quellen hatten wir für den heutigen Abend ein Restaurant ausgesucht über das das rote Buch folgendes schreibt: „Raffinesse, Tiefe und eine wunderbare Reinheit des Geschmacks finden sich in der Küche dieses zurückhaltend eleganten Restaurants wieder. […] Es werden nur die besten Zutaten aus Polen verwendet, und jeder sorgfältig zubereitete Gang wird mit einer künstlerischen Note vollendet. Nehmen Sie in dem jahrhundertealten Keller Platz, um eine intime Atmosphäre zu genießen, oder bitten Sie um einen Tisch gegenüber der offenen Küche, um dem talentierten Team bei der Arbeit zuzusehen. Der außergewöhnliche Service wird dadurch abgerundet, dass die Köche einige der Gerichte persönlich servieren.“
Das las sich sehr gut, also auf zu unserer Stamm-Haltestelle beim Hotel und rein in die erste Tram in Richtung „Lecker Essen“.
Das Ziel heute: Das Restaurant Weinkeller 1881. Nur eben auf Italienisch …
Das Restaurant wurde vom Guide mit zwei Sternen ausgezeichnet und beispielsweise vom Falstaff mit 96 von 100 möglichen Punkten. Chef Przemyslaw Klima fährt hier ein Konzept aus klassischen polnischen Gerichten, die er, dort wo es möglich ist, modern interpretiert und zeitgemäß präsentiert. Nach einem herzlichen Empfang wurden wir damit überrascht, dass wir an den Chefs Table gesetzt wurden und somit einen Blick auf den Pass und Teile der Küche hatten. Mittendrin statt nur dabei, wie es ein ehemaliger Sport-TV-Sender mal als Slogen hatte.
Kaum saßen wir, wurden wir nach einem Aperitif gefragt (Aber gerne!) und es wurden uns Teile der Zutaten des heutigen Abends präsentiert. Dabei lernten wir gleich den Head Sommelier und Restaurantleiter Michał Drozdowski kennen, mit dem wir noch sehr, sehr viel Spaß haben sollten. Wir hoffen ja immer, dass wir nicht zu nervend sind mit unseren Nachfragen, aber wir gehen weiterhin davon aus, dass das noch im Rahmen ist, was wir an Aufmerksamkeit bekommen.
Viele Hände hinter der Theke finalisierten in der Zwischenzeit so manchen Gruß aus der Küche. Von den Kochbüchern im Hintergrund haben wir übrigens mehrere zu Hause, was wir auch kurz erwähnten und was, wenn wir das richtig auf polnisch verstanden haben, auch dem Chef mitgeteilt wurde.
Besagte Grüße kamen dann auch gleich aus der Küche und so fing ein sehr beeindruckender Abend an, der uns noch lange in Erinnerung bleiben dürfte. Trotz Weinbegleitung …
Im Einzelnen gab es hier Zurek, also die saure Suppe, mit Kartoffeln. Dann, von links nach rechts, eine kleine Zucchini mit einer herzhaften Creme aus Sonnenblumenkernen. Gefolgt von einem fantastischen Stück Makrele mit Verbene. Alleine die Pinzetten erinnerten uns wieder an New York und das Jungsik, die Qualität des Fisches aber auch. Daneben ein Madelaine mit Tomaten. Daneben in Thymian geräucherte Entenbrust. Darunter ein Ei mit einer Kartoffelsuppe drin die zum Niederknien war..
Jede einzelner Teller war einzigartig, die Bandbreite war phänomenal und alles, wirklich alles war lecker.
Dementsprechend begeistert ging es an einen Gang, der immer öfters genau den Status bekommt, den er verdient: Das Brot!
Hier gibt es dazu eine, fast schon Signature-Dish-artige, Miso-Butter mit gerösteten Zwiebeln. Und das passte hervorragend zum Sauerteigbrot.
Der erste „richtige“ Gang wurde einfach als „Aged Veal and Caviar“ bezeichnet. Absolut klassisch, weswegen Jens vor dem „Finishing“ am Tisch fotografisch festhielt. Das Kalb war hervorragend temperiert, recht fettig und mit ein paar frittierte Kräutern garniert.
Hinzu kam eine Nocke Kaviars (leider kein polnischer, wie Michal uns mit trauriger Miene mitteilte) und etwas Buttersauce.
Fan-tas-tisch! Einfach aber sehr, sehr gut.
Spätestens hier wurde uns auch deutlich, dass die Optik hier ebenfalls eine große Rolle spielt, was man auch an dem kunstvollen Besteck merken konnte. Wir fühlten uns sehr wohl.
Nächster Gang, ein Klassiker mit einer Reminiszenz an die Jahreszeit: Bernsteinmakrele mit Kürbis. Wieder eine gute Fischqualität, das mit dem Kürbis fanden wir aber irgendwie nicht so passend. Irgendwie wurde so der feine Geschmack des Fisches zu sehr übertönt und der Fisch trug so wenig zum Gesamtbild bei.
Nächster Gang: Pierogi! Natürlich! Wenn in Polen, dann …
Die fein geschnittenen Pilze konnte Jens sogar essen, die Sauce war wieder hervorragend mit leichter Säure und viel Butter. Und der Dumpling war einfach nur gut.
Weiter ging es mit einer Kleinigkeit, nämlich Forellenkaviar und ein Saffrangebäck, und einer Großigkeit, nämlich der dazu gehörenden Forelle mit Gurken und einem Saffranschaum.
Warum auch immer: Das war so einfach und doch so lecker. Kaviar mal endlich sinnvoll eingesetzt und nicht nur zum Angeben.
Die Gänge gingen und kamen, das Tempo war aber nicht unangenehm. Im Gegensatz zu sonst hatten wir auch keine Weinbegleitung, sondern uns für zwei gute Flaschen entschieden, was preislich sogar günstiger war. Den ersten Wein haben wir leider nicht aufgeschrieben, der zweite war aber ein klassischer Syrah von Pax Mahle aus Kalifornien.
Und wieder etwas Kaviar, denn … warum nicht?
Dazu gab es einen Creme, rote Beete und Aal. Wieder etwas klassisches aber mit ein paar modernen Aspekten wir den frittierten Kapern.
Wir waren begeistert. Am Pass ging es derweil zu wie in einem Bienenstock, Teller kamen und wurden von dem immer netten Service an die Tische gebracht. Von denen man wenig mitbekam, da in einem Raum immer so 2-3 Tische stehen und man so recht viel Ruhe hat.
Michal hatte dabei alles im Blick, sorge für die flüssige Unterhaltung und fand zwischendurch immer wieder Zeit für einen kleinen Schwatz.
So erzählten wir ihm von unseren letzten Restaurantbesuchen, von Köln (wo er immer mal hin wollte, kulinarisch und auch für die Stadt selber) und wir erfuhren ein paar Details über die polnische Fine Dining Szene und über ihn. Beispielsweise, dass er Sommelier des Jahres in Polen geworden war und vor 2 Wochen geheiratet hatte. Bei der Hochzeitsfeier waren übrigens einige aus besagter Szene eingeladen, so auch der Sommelier des Restaurants, wo wir 3 Tage später in Warschau essen würden. Wir sollen bitte schöne Grüße ausrichten, was wir natürlich gemacht haben.
Wie gesagt: Zum Hauptgang gab es dann einen schönen, nicht zu trockenen Syrah. Weil Michel aber meinte, dass auch der Weißwein dazu passen würde, bleib ein letzter Schluck im Glas.
Das Messer deutete es schon an: Es war Zeit für Fleisch. Genauer gesagt vom Chef selber erlegtes Reh, sehr blau gebraten. Dazu Trüffel, eine Kartoffel-Trüffel Creme und eine Sauce zum erneut niederknien.
Wie oft gesagt: An den Saucen kann man die Qualität eines Restaurants erkennen. Und die Sauce hier war sagenhaft!
Ach ja, mehr Saucen gab es natürlich auch, thematisch korrekt an dem Thema Wild serviert.
Dazu, weil das war ja noch nicht genug, ein kleines Teilchen mit Pflaume.
Also alles irgendwie herbstlich, alles sehr lecker. Und wieder viel zu schnell vorbei, denn das war mal wieder ein Hauptgang der seinen Namen zurecht trug. Und ebenfalls zurecht in einem 2 Sterne Restaurant serviert wurde.
Zeit für den Nachtisch. Also … für das Pre Dessert. Immer noch ein suprer Konzept, erst Recht, wenn es ZUCKERWATTE GIBT!
Sehr witzig und zusammen mit der Limette bereitete das den Gaumen tatsächlich gut auf den Übergang zum Süßen vor. Der Syrah passte übrigens auch hier noch.
Der Nachtisch schien erst einmal recht klassisch zu sein: Wilde Erdbeeren und Sour Cream. Der Witz steckte aber einmal in der sehr Mochi-artigen Scheibe über dem Erdbeereis und unter den schockgefrorenen Erdbeeren. Und andererseits tatsächlich in den Tellern selber, denn die waren aus einer Art Gummi und super flexibel.
Witzig und dem Service nach nicht sooo einfach an den Platz zu bringen. Schöner Abschluss eines, wie schon erwähnt, denkwürdigen Essens.
Naja, so richtig Schluss war noch nicht, denn selbstverständlich gab es hier auch ein paar Kleinigkeiten zum Kaffee: Von einem kleinen Schokoladentörtchen über eine kleine Praline mit Blaubeere bis zu einer Kombination aus Karotte und Sanddorn.
Alles sehr gut, viel beeindruckter waren wir aber vom Geschirr, denn das sah original so aus wie bei unseren Großeltern.
Und, naja, gerade Jens kommt halt nicht aus seiner Haut, ein Digestif ging ja auch noch. Michal zog noch einmal alle Register und brachte für Meike ein paar schöne Liköre und für Jens ein paar Optionen aus denen am Ende dieser Roggenwodka, der 21 Jahre alt in Eichenfässern gereift wurde.
Und so endete dieser Abend angemessen! Ein Abend, der sehr, sehr hoch in unserer „Fine Dining“-Liste auftauchen dürfte, denn was die Mannschaft hier uns geboten hat war schon sehr nah an der nie zu erreichenden Perfektion. Vom Service, von den Zutaten, den Kombinationen, dem Ambiente, dem Geschirr und allem anderen was zu so einem Abend gehört war das einfach sehr gut! Eine „Eins mit Sternchen“, wie Jens Opa Oldenburg es formuliert hätte.
Wir gehen übrigens immer noch gerne in Supermärkte und kaufen Sandwiches. Aber sowas hier gefällt uns eben auch – danke an das Team vom Bottiglieria 1881 in Krakau.



























